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Das Zauberschloß

Das Zauberschloß

Titel: Das Zauberschloß
Autoren: Ludwig Tieck
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aufsträuben und Thränen erregen, welche Trauerstücke einmal einem wohleingerichteten Staate eben so nothwendig als die Narrenhäuser sind. Ehen aber sollen nur nach Vernunft, Convenienz und Bequemlichkeit geschlossen werden, damit sie wahrhaft Glück hervorbringen und auch den Kindern wieder mittheilen können. Der Jüngling oder das Mädchen, welche geständig sind, daß sie lieben, setzen sich der Verachtung eines jeden Vernünftigen aus, und jeder ehrbare Bürger und Staatsdiener sollte auf ihre Beschimpfung und Bestrafung antragen. Wie man ansteckende Fieber, Wahnsinn oder ähnliche Unfälle behandelt, so und nicht anders sollte man mit denen umgehen, die sich für verliebt ausgeben. Hätten nur sechs Paare erst am Pranger gestanden, so würde die Furcht diese abgeschmackte Sitte bald vermindern und in einiger Zeit ganz vertilgen. Die spanische Inquisition sollte auf einige Zeit für diese giftige Lehre von der Liebe nachgeahmt und hierher verpflanzt werden. Eheleute, die sich mit Convenienz vermählen, um das Vermögen zu vergrößern und das Glück des Lebens im sichern Wohlstande zu finden und zu genießen, die sich erst bei und nach der Hochzeit kennen lernen: diese nur erleben die wahre Zärtlichkeit, die mit der Hochachtung ein und dasselbe Gefühl wird, diese nur verstehn es auch, die gegenseitigen Fehler zu übersehen und zu ertragen. Diese werden aber jene unsittliche Leidenschaft, die in unsern Tagen so oft für die Blüthe des Lebens gelten soll, eben so, wie der ächte Philosoph, verachten. – Nicht wahr, gnädige Frau, so lauten die Grundsätze Ihres Gemahls, und er hat auch gewiß nur in diesem Sinne als Bräutigam und junger Gatte Verlobung und Flitterwochen mit Ihnen durchlebt.
    O junge, junge übermüthige Menschen, sagte die Mutter halb beschämt, halb lächelnd; ihr werdet auch einmal alt werden und hoffentlich alsdann anders seyn. Mein Mann hat sich seit ewigen Jahren allerhand Grillen und Flausen ausgesonnen, die er wohl jetzt ernsthaft meinen möchte. Hätte er immer so gedacht, so wären wir wohl nie mit einander bekannt geworden.
    Louise stand auf und umarmte ihre Mutter heftig. Was ist Dir, Kind, rief diese, was weinest Du; was schluchzest Du denn? Wahrhaftig, wenn viele Bücher so gelesen werden, wie unser kleiner Zirkel hier die unzusammenhängende Geschichte anhört, so kann man sich vorstellen, welche Verwirrung durch Romane in Kopf und Herzen von unzähligen jungen Leuten erregt werden mag.
    O Mutter! klagte Louise, so eben waren Sie noch so gut! Und nun sprechen Sie in demselben Augenblicke fast wie der Vater. – Doch weiter, mein lieber Mansfeld, sonst kommt Ihre Erzählung niemals zu Ende.
    Wie Sie befehlen, nahm der Erzähler das Wort; auch ist nur wenig noch zu sagen übrig. – Der junge Hauptmann, der als der letzte der sonderbaren Familie das Zauberschloß bewohnte, war, wie schon bemerkt, ein trefflicher junger Mann. Nur litt er viel von den Gespenstern des einsamen Hauses. Bald, wenn eine kleine Gesellschaft am Herbstabend versammelt war und sich des Gesprächs, oder der Vorlesung eines guten Buches erfreute, streckte sich eine lange, bleiche, dürre Todtenhand aus der Mauer und fuhr dem Nächstsitzenden mit Eiseskälte über den Nacken. Ein andermal sah sich die Gesellschaft plötzlich durch einen kleinen, aschgrauen, im Winkel sitzenden Mann vermehrt, der, wenn alle in Schauder aufgelöst waren, wieder eben so plötzlich verschwand, als er erschienen war. In den Nächten hörte man oft seufzen und weinen, dann wieder mit Ketten klirren. Wie seltsames, gespenstisches Nachtgevögel schlug es an die Fenster und schwirrte in den Zweigen der nahen Bäume. Kein Dienstbote wollte bleiben, kein Nachbar wollte mehr das verdächtige Haus besuchen. Ein alter tauber Gärtner, der zugleich den Castellan vorstellte, war am Ende der einzige, der Muth genug behielt, es mit der ganzen Schaar der Geister aufzunehmen. Das Sonderbarste aber war, daß jener Pakt, her schon vor hundert Jahren die Familie unglücklich gemacht hatte, noch fortzudauern schien. Wenigstens versicherten alle Hausleute, sie hätten es erlebt, wie der junge Hauptmann sich unsichtbar machen könne. Er war oft plötzlich verschwunden, zu andern Zeiten war er wieder zugegen ohne daß ihn irgend Jemand hatte kommen oder sich entfernen sehn. Darum fürchtete alle Welt diesen jungen Mann, und Jeder war überzeugt, er müsse ein elendes und tragisches Ende nehmen. So kam es denn auch und zwar entsetzlicher, als es
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