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Das Zauberschloß

Das Zauberschloß

Titel: Das Zauberschloß
Autoren: Ludwig Tieck
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Himmel wird von beiden gelästert, was in jeder Lage immer unschicklich bleibt.
    Eine sehr wahre Bemerkung, fügte jetzt die Mutter an, die die Tochter aufmerksam betrachtet hatte; doch ist die Geschichte, mein junger Herr, noch viel unbedeutender, als ich es mir vorgestellt, ich dächte also, wir ließen sie ganz fahren, denn ich bin gar nicht mehr neugierig.
    Geduld, gnädige Frau, rief der junge Mann: das Bisherige war nur die erste einleitende Einleitung; sogleich werde ich Ihnen mit einigen gräßlichen Materialien aufwarten. – Der Jüngling, in der Angst und Verzweiflung, ohne Rath und Hülfe, von aller Welt verlassen und von seiner wüthenden Leidenschaft zu den verzweifeltsten Entschlüssen angetrieben, ruft, da der Himmel ihm nicht helfen will, die Hölle auf, giebt sich dem bösen Prinzip, von den poetischen Naturen Satan, Teufel und noch mit manchen andern Namen genannt, zu eigen: – so sagt die Tradition. – Indeß mag es seyn, wie es will, es entsteht wenigstens am Abend und in der Nacht ein solches Hexenwetter, Sturm, Regen, Gewitter, Blitz auf Blitz und Schlag auf Schlag, Geheul von Gespenstern, unsäglicher Wirrwarr, daß alle Hochzeitgäste, von blinder Angst ergriffen, durcheinanderlaufen, und endlich, wie das Toben nachläßt, man sich etwas beruhigt, der Bräutigam auch seine Sinne wiedergefunden hat, ist die Braut verschwunden.
    Verschwunden? rief Louise verwundert aus.
    Verschwunden, fuhr Mansfeld ruhig fort, ich erlaube mir keine Veränderung, sondern ich gebe Ihnen die Geschichte ganz so, wie sie im Munde des gemeinen Mannes lebt. Der Bruder, ein heftiger junger Mann, meint, unten am Abhang, dem Flusse zu, die weiße Gestalt seiner Schwester in der Windesbraut zu sehn, er springt vom Söller hinunter, ihr nach, und liegt zerschmettert, oder mit gebrochenem Halse unten, nicht fern vom Flusse, wo er erst mit Aufgang des Morgens gefunden wird.
    Nun Gottlob, rief Henriette aus, einen Bruder, liebe Louise, haben wir wenigstens in Deiner Familie nicht; denn sonst hat diese Geschichte so etwas Anzügliches, oder Anwendbares, woraus man schon ein Exempel nehmen könnte.
    Liebe Henriette, sagte die Mutter mit einiger Empfindlichkeit, Sie rechnen doch etwas zu viel darauf, daß mein Mann nicht zugegen ist und ich mich immer allzu nachsichtig zeige.
    Beste Mutter, seufzte Louise, ist es nicht schon genug, daß Henriette mich kränkt? Und Sie, Herr Mansfeld, – diese Art, – ich weiß nicht –
    O unglückseligster aller Legendenerzähler! rief der junge Mann aus, was kann ich denn für meine Geschichte, die erst zu langweilig und nun zu interessant gefunden wird! Ich setze Nichts hinzu, lasse Nichts hinweg, arbeite Nichts um, sondern folge so schlicht und ehrbar der alten Sage, daß ich, ohne auf einseitige Kritiken oder beschränktes Bedürfniß Rücksicht zu nehmen, tugendsam, sittig, still, einfältig und vor allen Dingen rechtgläubig in der Tradition vom Zauberschlößchen also fortfahre: der Vater, ein greiser Greis, stand mit seinem weißen, fluthenden Haar in der Zerstörung furchtbar einsam da, verfluchte die Tochter und die ganze Nachkommenschaft, und forderte den Himmel auf, die Unthat bis in das zehnte und zwanzigste Glied zu rächen, daß der Vater den Sohn, und der Sohn den Vater ermorden müsse, bis kein Sprößling des vermaledeieten Hauses mehr übrig sei. So starb er selbst in Verwünschungen, – und der Bräutigam hat – sich nachher anderswo vermählt.
    Louise lächelte und Henriette lachte laut auf. O meine Damen, rief der Erzähler empfindlich, es kränkt, wenn man statt Thränen des Grauens, statt bleicher, verzerrter Angesichter, mit allen Materialien des Furchtbaren nur Lachen erregt. – Wie es sich nun denken läßt, wurde jener Ehemann, der den Pakt mit dem Bösen eingegangen war, weder tugendhaft noch glücklich: die junge Frau, von dem Unglück ihrer Familie tief erschüttert, war melancholisch, besonders da sie immer deutlicher die unheimliche Verbindung ihres Gatten spürte, und ihre Trauer wuchs fast bis zur Verzweiflung, als sie nun alle Tugenden des verschmähten Bräutigams immer heller glänzen sah, als sich ihr das schöne Glück jener Ehe immer deutlicher entwickelte. Unfriede, Zwist, täglicher Zank machten jede angenehme Häuslichkeit unmöglich, und die Kinder, die in diesem Elend heranwuchsen, waren so wenig zart, kindlich und lieblich, daß sie im Gegentheil schon früh alle Anlagen zu Bösewichtern verriethen.
    O welches Glück der Liebe! sagte
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