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Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant

Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant

Titel: Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant
Autoren: Kai Meyer
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widersprach trotzdem nicht.
    Die Taverne befand sich im unteren Teil des Schiffsbugs und besaß nur ein einziges Fenster, dessen Flügel weit geöffnet war. Ob das die Wüstenhitze an Bord der Abendstern nur noch schlimmer machte, war der Gegenstand einer aufgeregten Debatte am Nebentisch; mehrere Männer waren kurz davor, in handfesten Streit zu geraten.
    Wisperwind hatte nicht weniger getrunken als Feiqing und Kangan. Sie spürte längst, dass ihr das Gesöff zu Kopf gestiegen war. Trotzdem versuchte sie jeden Winkel des Schankraums im Auge zu behalten, wenn auch eher aus Gewohnheit als auf Grund echter Notwendigkeit.
    Die Geheimen Händler tranken ein dunkles, ungeheuer bitteres Bier. Ob sie es selbst brauten oder im Austausch gegen Ware erhielten, wusste sie nicht. Was sie wusste, war, dass es zwar scheußlich schmeckte, allerdings dafür sorgte, dass sie alle für ein paar Stunden die Gefahr durch den Aether vergaßen.
    Sie schleuderte die Würfel eine Spur zu heftig in den  Lederbecher, den Feiqing ihr mit seinen unbeholfenen Wurstfingern reichte, ließ sie darin umherwirbeln und stülpte das Gefäß auf den Tisch.
    »Nicht schlecht«, knurrte Kangan.
    »Nicht gut genug!«, triumphierte Feiqing.
    Wisperwind zuckte nur die Achseln und reichte den Würfelbecher an den Hauptmann weiter. Seine Eulenaugen kniffen sich ein wenig zusammen, als sein eigenes Ergebnis erneut unter dem von Feiqing blieb. Immerhin aber drohte er nun nicht mehr damit, den Rattendrachen über Bord zu werfen, wie er es noch vor wenigen Tagen bei jeder Gelegenheit getan hatte. Auch Feiqing wirkte mittlerweile entspannter, so als hätte er verdrängt, dass die Geheimen Händler an Bord der Abendstern überhaupt erst dafür verantwortlich waren, dass er in diesem lächerlichen Drachenkostüm gefangen war.
    Während der Becher weiter zwischen den dreien kreiste, ertappte sich Wisperwind dabei, wie ihre Blicke immer wieder zu den Eulenaugen des Hauptmanns zurückkehrten. Sie waren groß und rund, die Pupille auf dem gelblichen Augapfel so groß wie eine Münze. Die Haut rund um beide Augen war fast schwarz, was ihn wie alle Geheimen Händler stets ein wenig bedrohlich erscheinen ließ. Selbst wenn er lachte, standen seine buschigen Brauen so schräg wie vor einem Wutausbruch. Die Raubvogelaugen der Händler machten es nahezu unmöglich, ihre Stimmungen einzuschätzen, und selbst jetzt, beim Würfelspiel in der stickigen Bordtaverne, haftete dem Hauptmann etwas Düsteres, Rätselhaftes an.
    Einmal mehr machte Wisperwind sich bewusst, dass sie hier eine Fremde war, ein geduldeter Gast. Selbst Feiqing, der tollpatschige, unbeholfene Feiqing, stand ihnen näher als sie selbst - erst vor kurzem hatte er erfahren, dass er selbst ein Geheimer Händler gewesen war, ehe ihn der Wächter des Drachenfriedhofs um seine Erinnerung gebracht und ihn zu einem Dasein in diesem erbärmlichen Kostüm verflucht hatte.
    Kangan hatte ihren Blick bemerkt und nun fixierte er sie seinerseits. »Die Dichter erzählen, dass du den Clan der Stillen Wipfel zu vielen Siegen geführt hast, Schwertmeisterin.«
    »Die Dichter erzählen viel, solange es sich reimt.«
    Mit einer gewissen Irritation stellte sie fest, dass er ihr schmeichelte. Nie zuvor hatte sie solch ein Kompliment ernst genommen - Der Weise entzieht sich dem Ruhm, lehrte das Tao -, doch sie spürte, dass Kangans Worte etwas in ihr berührten. Obwohl sie gemeinsam beim Würfelspiel saßen, waren sie bislang weit davon entfernt gewesen, einander mit allzu großer Freundlichkeit zu begegnen. Da war Respekt, ohne Frage. Achtung, natürlich. Und stets eine gewisse Vorsicht, die als Barriere zwischen ihnen stand.
    Wie es schien, wollte er sie nun durchbrechen. »Irgendwann einmal musst du mir von deinem Clan erzählen.«
    »Wenn der Aether besiegt ist.« Sie ertappte sich dabei, dass sie das Haupt ein wenig senkte. Als sie noch tagein, tagaus ihren breiten Strohhut getragen hatte, war diese Geste ein einfaches Mittel gewesen, fremden Blicken zu entgehen. Doch den Hut hatte sie auf dem Knochenpass verloren und nun fühlte sie sich der Vertraulichkeit des Hauptmanns ausgeliefert. Eine Regung, die sie überraschte und insgeheim ein wenig aus der Fassung brachte. 
    Feiqing würfelte und freute sich diebisch, als er einmal mehr die höchste Augenzahl erzielte. Der schlabberige Zackenkamm auf seinem Kopf wippte hin und her, als er sich aufgeregt die Hände rieb. »Würdet ihr beiden euch auf das Spiel konzentrieren,
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