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Das Wesen aller Kriege (Die Ratte des Warlords IX-A) (German Edition)

Das Wesen aller Kriege (Die Ratte des Warlords IX-A) (German Edition)

Titel: Das Wesen aller Kriege (Die Ratte des Warlords IX-A) (German Edition)
Autoren: Johann Löwen , Eduard Dyck
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der Kepler irgendwie reißend vorkam. Er aß trotzdem zügig auf und erhob sich.
    E inige Minuten später verflog die anregende Wirkung und Kepler hatte ziemliche Mühe, die Augen offen zu halten. Er hatte jedoch Glück. Nachdem er den verwinkelten Wirrwarr aus hölzernen Verschlägen, die teilweise erbärmlich stanken, passiert hatte, erreichte er eine größere Straße. Auf der gegenüberliegenden Seite stand ein schiefes vierstöckiges Haus aus verwitterten Ziegelsteinen. Ein Schild über dem Eingang gab preis, was das für eine Einrichtung war.
    Wie bei seinem ersten Besuch in China hatte Kepler enorme Schwierigkeiten mit den Schriftzeichen, auch wenn er die Sprache selbst mittlerweile um einiges besser beherrschte. Doch im Unterschied zu vor zwei Jahren brauchte Kepler jetzt nur einen Blick, um zu wissen, dass er sein Ziel endlich erreicht hatte.
    Wie jedes andere Gebäude in den Slums von Shiyan, war auch das Kezhan , die Billigherberge für Tagelöhner und Rucksacktouristen, eine recht schäbige Einrichtung. Aber keine völlig heruntergekommene, der Flur war halbwegs sauber und die Rezeption imitierte ein europäisches Hotel.
    D ie Frau hinter dem Tresen war alt, dürr, hatte winzige boshafte Augen, runzlige Haut und einen bissig anmutenden Blick. Wahrscheinlich weil sie in dieser erbärmlichen Gegend ihr Leben fristen musste, war das spitze Gesicht mit der platten Nase schon vor Jahren erbost erstarrt. Die zwar gekonnt, aber zu reichlich aufgetragene Schminke verzerrte die eigentlich feinen Züge zu einer Grimasse. Zumindest wirkte die Frau im stumpfen gelben Licht wie ein Reptil. Sogar so sehr, dass sie dem Bild des Drachen glich, das über der Theke hing.
    Es sollte bestimmt Long darstellen, den gutmütigen Drachen, von dem einer Legende nach die Chinesen abstammten. Doch das Bild erinnerte mehr an den Kanghui. Dieses Wasserungeheuer glich einem Drachen, wurde aber nicht verehrt. Zum einen, weil es gegen einen Urkaiser gekämpft, zum anderen, weil es nach seiner Niederlage fast den Weltuntergang herbeigeführt hatte. Und irgendwie könnte die Frau hinter der Theke als Vorlage für das Bild gedient haben.
    Kepler staunte selbst über den absurden Vergleich. Der Gedanke entsprang wohl der Mischung aus Müdigkeit, dem trüben Licht und den seltsamen Pilzen.
    Die Frau musterte ihn mit einem eindringlichen Blick, der schnell, geübt und aus Gewohnheit abschätzend zu sein schien. Mit hoher schriller Stimme erkundigte die Frau sich im zänkischen Ton, aber dafür sogar in gebrochenem Englisch, was Kepler wollte. Eigentlich war es völlig offensichtlich. Kepler antwortete dennoch ruhig und leise, dass er ein Zimmer begehrte. Rigoros verlangte die Frau siebzig Yuan für die Nacht. Bei Ausländern war der Preisaufschlag zwar völlig normal, Kepler fand die acht Euro dennoch übertrieben. Die Frau stemmte die Hände in die Seiten und beugte sich streitlustig wie eine Schlange vor. Anscheinend freute sie sich darauf, nicht das Geld zu verdienen, sondern Kepler auf die Tür zu zeigen, sobald er das Handeln anfing. Die Genugtuung wollte er der Frau nicht verschaffen, auch wenn das Rückgeld von seinem letzten Hunderter sein gesamtes Restkapital darstellen würde. Dafür konnte er die Nacht in einem Bett verbringen. Er reichte der Frau wortlos den Geldschein.
    Irgendwie hatten die Pilze es wirklich in sich. Normalerweise beherrschte Kepler seinen Körper wie sonst nichts anderes auf der Welt, aber plötzlich stieß er auf, und zwar unwillkürlich und relativ laut. Die Frau sah ihn sofort abfällig an.
    "Ist nicht die feine englische Art", rügte sie verächtlich.
    Rülpsen war in China zwar nicht unbedingt das beste Kompliment für den Koch, aber verpönt war es nicht einmal beim Essen.
    " Bin aber auch nicht im Ritz in London", gab Kepler zurück.
    Eine Sekunde lang stierten er und die Frau einander an. Sie schien es ihm mehr als nur übel zu nehmen, dass er ihr Etablissement nicht für ein Luxushotel hielt, so offensichtlich diese Tatsache auch war. Mit einer missfälligen Bewegung warf die Frau den Schlüssel und die dreißig Y uan auf den Tresen und erklärte Kepler abgehackt, wo er sein Zimmer finden würde. Anschließend wechselte sie ins Mandarin und zischte, dass er eine ziemlich große Schnauze hätte, dafür, dass er sich überhaupt nicht in seiner Welt befand.
    Kepler wollte die Frau nicht noch mehr gegen sich aufbringen. Weder damit, dass er Mandarin sprach, noch damit, ihr auf Englisch zu antworten. Er nahm
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