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Das Werk der Teufelin

Titel: Das Werk der Teufelin
Autoren: Andrea Schacht
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könne ihnen in die Hände gefallen sein. Das würde erklären, warum sie so verängstigt war.
    Müde zog sich Almut aus, löschte das Flämmchen der Öllampe, und mit einem schiefen Lächeln dachte sie: »Na, hoffentlich entwickelt sich dieses Lamm nicht zur – was war das?– ah ja, rot berockten Hure.«

5. Kapitel
    Am nächsten Tag sagte sich Almut, sie solle gar nicht so sonderlich darüber erstaunt sein, dass sich ein dritter Neuankömmling einfand. Rigmundis’ Vision hatte das Erscheinen ja angekündigt, und dass sich die Dinge, wenn sie denn erst einmal ins Laufen gekommen waren, fast immer dreifach wiederholten, hatte sie schon oft genug erlebt.
    Sie war gerade dabei, sorgfältig das rechteckige Stück Grund auszumessen und abzustecken, auf dem sie das Fundament für die kleine Kapelle anlegen wollte, als Mettel, die Pförtnerin, ihr meldete, Aziza stünde mit einer Begleiterin vor dem Tor und wünsche sie zu sprechen. Mit einer staubigen Hand wischte Almut sich den Schweiß von der Stirn und hinterließ dabei einen dunklen Schmierstreifen auf ihrem sommersprossigen, gebräunten Gesicht. Das grobe Tuch, das sie um ihre Haare gewunden hatte, war ebenfalls verrutscht, und eine rotbraune Strähne, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte, hing ihr über die Schulter. Doch sie freute sich, ihre Halbschwester zu sehen, von deren Existenz sie erst vor wenigen Monaten Kenntnis erhalten hatte. Damals war Almut die verwandtschaftliche Beziehung jedoch noch nicht klar gewesen. Aber ein Zufall ließ sie kurz darauf erkennen, dass Aziza die Bastard-Tochter ihres Vaters, Conrad Bertholf, war. Ihre Mutter hingegen war eine Konkubine, eine schöne Frau aus dem maurischen Spanien, mit der er zusammengelebt hatte, bevor er seine jetzige Gemahlin, Frau Barbara, ehelichte. Als Almut dies herausfand, hatte der gestandene Baumeister vor Verlegenheit hochrote Ohren bekommen, doch weder Almut noch ihre Stiefmutter nahmen es ihm übel, was vor sechsundzwanzig Jahren geschehen war. Das Verhältnis zwischen den Schwestern entwickelte sich rasch zu einer herzlichen Beziehung, doch gelegentlich konnten beide es nicht lassen, sich spöttisch über ihren jeweiligen Stand im Leben zu äußern. Sie waren schon ein wunderliches Paar, die keusche Begine Almut und die maurische Hure Aziza.
    »Hast du mal wieder gegen eine eurer gestrengen Regeln verstoßen, Schwester? Büßest du hier in Staub und Schmutz deine Strafe dafür ab?« Aziza, in einem goldgelben Gewand, das mit zierlichen Ranken bestickt war, wirkte kühl und elegant neben der staubverschmierten Almut und musterte sie mit einem seltsamen Lächeln. »Solltest du etwa heimlich mit einem schönen Mann geliebäugelt haben?«
    Almut grinste. »Was liegt mir an Männern! Eher werfe ich einem süßen Wecken lüsterne Blicke zu. Doch das, was ich hier treibe, ist wahrhaft keine Strafe für mich. Es macht mir Freude, etwas zu bauen.«
    »Nun, das ist eine Frage des Geschmacks. Du siehst aus wie eines dieser armen Weiber, die auf den Stufen der Kirchen betteln. Und ich wollte Johanna das wohl geordnete Leben der Beginen schmackhaft machen. Was für eine Enttäuschung, nicht wahr, Johanna?«
    Azizas Begleiterin hatte sich auf dem Hof umgesehen und lächelte jetzt etwas unsicher zu Almut hin.
    »Ich grüße Euch, Frau Johanna«, sagte Almut ein wenig förmlich. »Was führt Euch zu uns?«
    »Das ist eine längere Geschichte, Schwester. Und wenn du etwas Zeit erübrigen könntest, dann würde ich sie dir gerne erzählen.«
    »Dann folgt mir ins Refektorium.«
    Im Erdgeschoss des Hauptgebäudes befand sich der Ess- und Versammlungsraum der Beginen, in dem es an dem warmen Frühherbsttag angenehm kühl, aber auch leicht dämmerig war. Vor dem Eingang blieb Almut stehen und bat: »Wartet einen Augenblick, ich will mir den Staub abwaschen.«
    »Dadurch würdest du, weiß Gott, an Respektierlichkeit gewinnen, Schwester.«
    Am Brunnen vor dem Küchengebäude wusch sich Almut also Gesicht und Hände und band sich das Tuch um ihren Kopf neu. Ein bisschen neugierig war sie schon darauf, was ihre Halbschwester von ihr wollte.
    Wie sich zeigte, hegte Johanna tatsächlich den Wunsch, sich den Beginen anzuschließen. Aziza erklärte: »Ich traf sie vor beinahe zwei Monaten, und sie war dem Tode näher als dem Leben. Darum brachte ich sie zu jemandem, der ihr helfen konnte. Jetzt ist sie wieder genesen, aber dorthin, wo sie herkam, möchte sie nicht zurückkehren. Überhaupt möchte sie ihr vorheriges Leben
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