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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14
Autoren: Émile Zola
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nicht das Bett gemacht hatte. Er fing an, mit übertriebener Anstrengung das Bett zu machen, ergriff mit beiden Armen die noch warme Matratze, schlug mit den Fäusten auf das noch duftende Kopfkissen ein, erstickte schier in dieser lauen Wärme, in diesem reinen Geruch nach Jugend, der aus der Bettwäsche aufstieg. Dann wusch er sich gründlich das Gesicht, um sich die Schläfen zu kühlen; und im feuchten Handtuch fand er denselben erstickenden Duft wieder, denselben jungfräulichen Atem, dessen im Atelier schwebende Süße ihn beklommen machte. Und fluchend aß er seinen Schockoladenbrei aus der Kasserolle, war so fieberhaft aufs Zeichnen versessen, daß er hastig große Bissen Brot hinunterschluckte.
    »Aber man kommt ja um hier!« schrie er jäh. »Die Hitze macht mich krank.«
    Die Sonne war fort, es war nicht mehr ganz so heiß.
    Und Claude öffnete ein kleines Fenster in Höhe des Daches und atmete mit tiefer Erleichterung den glutheißen Wind, der hereinwehte. Er hatte seine Zeichnung wieder zur Hand genommen, und lange betrachtete er Christines Kopf.
     

Kapitel II
    Es hatte zwölf Uhr mittags geschlagen, und Claude arbeitete an seinem Gemälde, da pochte eine vertraute Hand derb an die Tür. Mit einer instinktiven Bewegung, über die er nicht Herr war, ließ der Maler die Skizze von Christines Kopf, nach der er seine große Frauengestalt überarbeitete, in einen Karton gleiten. Dann entschloß er sich zu öffnen.
    »Pierre!« rief er. »Du bist schon da?«
    Pierre Sandoz, ein Freund aus der Kindheit, war ein Bursche von zweiundzwanzig Jahren mit tief brauner Haut, rundem, eigensinnigem Kopf, viereckiger Nase und sanften Augen in einem energischen Gesicht, das von einem gerade erst sprießenden Bart wie von einem Kragen eingerahmt wurde.
    »Ich habe zeitig gefrühstückt«, antwortete er. »Ich habe dir ausgiebig sitzen wollen … Ach, zum Teufel, das geht ja gut voran!« Er hatte sich vor dem Gemälde aufgepflanzt, und er fügte sofort hinzu: »Sieh mal einer an! Du nimmst einen anderen Frauentyp.«
    Ein langes Schweigen trat ein; reglos betrachteten beide das Bild. Es war eine Leinewand von fünf Meter Breite und drei Meter Höhe, die ganz von dem Gemälde eingenommen wurde, auf der aber kaum ein paar Einzelheiten aus der Skizze hervortraten. Diese in einem Zuge hingeworfene Skizze war von einer großartigen Gewalt, von einem glühenden Leben der Farben. In eine Waldlichtung mit Mauern aus dichtem Grün fiel eine Welle Sonnenschein; einzig links führte eine düstere Allee mit einem Lichtfleck ganz in der Ferne weiter hinein. Da auf dem Gras lag inmitten der frühsommerlichen Vegetation eine nackte Frau mit schwellendem Busen, die einen Arm unter den Kopf geschoben hatte; und sie lächelte blicklos mit geschlossenen Lidern im goldenen Regen, der sie badete. Im Hintergrund rangen lachend zwei andere kleine Frauen miteinander, eine Brünette und eine Blonde, die ebenfalls nackt waren; sie hoben sich zwischen den verschiedenen Schattierungen des Laubgrüns mit zwei wunderbaren Fleischtönen ab. Und da der Maler im Vordergrund einen schwarzen Kontrast brauchte, hatte er sich ganz einfach damit begnügt, dort einen mit einer schlichten Samtjacke bekleideten Herrn hinzusetzen. Dieser Herr wandte dem Beschauer den Rücken zu, man sah von ihm nur die linke Hand, auf die er sich im Grase stützte.
    »Sehr schön angedeutet, die Frau!« fing Sandoz schließlich wieder an. »Aber, verdammt, mit alldem wirst du hübsch Arbeit haben!«
    Die brennenden Augen auf sein Werk geheftet, machte Claude eine zuversichtliche Gebärde.
    »Ach was, ich habe Zeit bis zum Salon8. In sechs Monaten schafft man was an Arbeit! Dieses Mal werde ich vielleicht endlich beweisen, daß ich kein Rindvieh bin!« Und er begann laut zu pfeifen, war, ohne es zu sagen, hingerissen von dem Entwurf, den er nach Christines Kopf angefertigt hatte, war ganz aufgekratzt durch eine jener plötzlichen großen Anwandlungen von Hoffnung, nach denen er um so heftiger in die Ängste des Künstlers zurückfiel, den die Leidenschaft für die Natur verzehrte.
    »Los, keine Bummelei!« rief er. »Da du nun einmal da bist, können wir anfangen.«
    Sandoz hatte sich aus Freundschaft und um Claude die Kosten für ein Modell zu ersparen, erboten, ihm für diesen Herrn im Vordergrund zu sitzen. Nach vier oder fünf Sonntagen, den einzigen Tagen, an denen er frei hatte, würde die Gestalt fertig sein. Schon zog er die Samtjacke an, als ihm jäh etwas einfiel.
    »Hör
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