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Das Weisse Kleid Des Todes

Das Weisse Kleid Des Todes

Titel: Das Weisse Kleid Des Todes
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Priesterliche Schweigepflicht. Clares Brust fühlte sich zum Zerspringen an. Sie brannte darauf, ihre neueste Erkenntnis mitzuteilen, aber das durfte sie nicht. Sie stöhnte vor Frustration.
    »Clare?«
    »Geben Sie mir Ihre Autoschlüssel. Los!«
    »Was soll –«
    »Los, Russ, sofort!« Er zog den Schlüsselbund aus seiner Tasche.
    »Ich fahre jetzt zu Deborah McDonald an der Aubry Road, in der Nähe der Kreuzung mit der alten Route 100.« Sie wies auf Wesley. »Und du! Erzähl das Ganze dem Chief!« Damit rannte sie zur Tür hinaus, ehe Russ sie durch weitere Fragen aufhalten konnte.

    Nach ihrem flotten kleinen MG kam ihr Russ’ Pick-up vor, als würde sie einen C1-30-Herkulestransporter über die Startbahn lavieren. Als sie vom Parkplatz hinausfuhr, nahm sie die Bordsteinkante mit und streifte um ein Haar einen Pkw voller Weihnachtseinkäufer. Gott sei Dank ging es zu Deborah McDonald meist über offene Landstraßen. Sobald Clare an die Ortsgrenze gelangte, gab sie Gas. »Schauen wir mal, was du draufhast, mein Dicker«, sagte sie zum Tacho des Wagens. Sie wusste, wie man von Millers Kill zu den Fowlers beziehungsweise den McDonalds kam, aber sie hatte keine Ahnung, wie lange Vaughn Fowler von seinem eigenen Haus zu Codys Pflegeeltern brauchen würde. Sie trat noch fester aufs Gaspedal. Vielleicht täuschte sie sich ja und fände das Baby friedlich schlafend vor. Vielleicht wären die McDonalds beim Einkaufen. Vielleicht hätte Wesleys Vater zu viel damit zu tun, an einem Sonntagnachmittag seinen Anwalt aufzutreiben, als dass er an Cody dachte. Vielleicht.
    Clare fuhr über die Brücke direkt hinter der Abzweigung von der alten Route 100, ging viel zu schnell in die Kurve, korrigierte und wäre fast in einen bergauf kommenden Explorer gerast, hätte dieser sich nicht in die Straßenböschung geschlagen. Sie jagte vorbei, während ihr das Herz aus der Brust zu springen drohte. Durch die nächste Kurve, die sie langsam nahm, gelangte sie auf die Anhöhe, und vor ihr breitete sich das Tal aus wie eine Weihnachtskarte.
    Als sie bei den McDonalds vorfuhr, schien alles friedlich, und sie sprang gerade aus dem Wagen, da flog die Haustür auf. Deborah McDonald erschien in einem Pullover, der zwei mit einem Mistelzweig spielende Kätzchen zeigte. »O du lieber Gott«, sagte die Frau, »Sie sind doch diese Pastorin. Sind Sie mit der Familie da? Wissen Sie, wo er hin ist?«
    Clares Haut kribbelte. »Was war los, Mrs. McDonald?«
    »Codys Großvater war gerade zu Besuch. Zumindest gab er sich als sein Großvater aus. Er kannte Angela Dunkling, wenigstens vom Namen –«
    »Ich will wissen, was passiert ist.«
    »Er war mit dem Baby im Wohnzimmer – ich hab gerade ein paar Bilder geholt –, und wie ich zurückkomme, sind sie beide verschwunden! Ich habe nicht recht gewusst, was ich tun sollte. Ich wollte eben beim Jugendamt anrufen …«
    Zwei Stufen auf einmal nehmend, sprang Clare die Vortreppe hoch. »Sie müssen die Polizei anrufen. Sagen Sie, Vaughn Fowler hätte das Baby. Womit ist er unterwegs?«
    »In so ’nem großen blauen Sportgeländewagen.«
    Der Explorer! »Sagen Sie, er fährt einen dunkelblauen Ford Explorer. Ich bin ihm in der Kurve begegnet. Den Fahrer habe ich nicht registriert.« Hoffentlich würde Gott ihr verzeihen, dass sie so idiotisch war; sie selbst konnte es nämlich nicht. Blitzschnell machte sie kehrt und stürmte wieder die Treppe hinunter.
    »Halt! Wohin wollen Sie? Wo bringt er Cody denn hin?«
    Clare machte ihre Augen zu. Wohin? »Dürfte ich kurz Ihr Telefon benutzen, bevor Sie die Polizei verständigen?«, fragte sie.
    Deborah McDonald deutete zu der offenen Haustür. Clare marschierte durchs Wohnzimmer, schnappte sich den Hörer und wählte die Nummer der Auskunft, um sich die der Fowlers geben zu lassen. Sie tippte die Ziffern ein, noch ehe die elektronische Stimme die letzte angesagt hatte.
    Es klingelte. Und klingelte. Und klingelte. Clare glaubte, sie müsse schreien.
    »Ja, bitte?« Es war Edith Fowler.
    »Mrs. Fowler, hier ist Clare Fergusson. Wissen Sie, wo sich Ihr Mann gerade aufhält?«
    »Der ist nicht da, Reverend. Wieso? Wes ist doch nichts passiert, oder?«
    »Nein, nein. Hat Vaughn seinen Revolver dabei?«
    »Seinen Revolver?«
    »Könnten Sie vielleicht nachsehen? Bitte, es ist wichtig.«
    »Weshalb, um Himmels willen –«
    »Bitte!«
    »Augenblick. Ich schaue mal in den Waffenschrank …« Clare hörte eine Tür auf-und zugehen. »Ich bin jetzt in seinem
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