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Das waren schöne Zeiten

Das waren schöne Zeiten

Titel: Das waren schöne Zeiten
Autoren: Mary Scott
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melden würde. »Das«, sagte meine Tante Annie, die eine Realistin war, »ist das letzte, was du von diesem Mann und deinem Geld gesehen hast.«
    Aber, wie so oft, hatte sich mein Großvater in seinem Urteil nicht geirrt. Gustave meldete sich bei ihm in Napier und blieb all die Jahre, in denen mein Großvater dort sein Amt versah, in seinem Dienst. Er trat in die Heilsarmee ein, und für meine Schwester und mich gab es nichts Schöneres, als an seiner Seite durch die Straßen zu marschieren, während er voller Begeisterung auf seiner Klarinette spielte. Ein Bewunderer und Verehrer meines Großvaters deutete einmal an, daß es für die Enkeltöchter des Bischofs vielleicht doch nicht ganz passend sei, mit der Heilsarmee zu marschieren, aber er weigerte sich einzugreifen. »Besser eifrige Anhängerinnen der Heilsarmee als lauwarme Anglikanerinnen«, erklärte er. Und wirklich, genau das war seine Theorie im Leben wie in der Religion.
    Als mein Großvater Neuseeland verließ, fing Gustave eine Gemüsegärtnerei an. Selbst meine großzügige Mutter protestierte, als Tim und ich es uns angewöhnten, mit ihm in seiner kleinen Karre die Runde durch Napier zu machen und an den Hintertüren ihren Freunden und Bekannten Gemüse zu verkaufen. Dieser Abstecher in den Gemüsehandel endete dramatisch damit, daß Tim aus dem Karren fiel und eine Gehirnerschütterung davontrug. Trotzdem hatte es uns viel Spaß gemacht.
    An all unseren kindischen Taten und Untaten nahm mein Bruder keinerlei Anteil. Er war um so vieles älter als ich, daß er in jener Lebensperiode für mich kaum eine Rolle spielte. Im Gegensatz zu uns war er ein hervorragender Schüler, mit all dem strebsamen Ernst, der uns bedauerlicherweise abging. Seine Leistungen auf der Schule waren entsprechend beachtlich; er gewann Stipendien und ging dann an das >University College Auckland<, um dort ein Examen zu machen. Später gewann er große Bedeutung für mein ganzes Leben, aber damals bestimmt noch nicht. Nach vielen Jahren gestand er mir ein, wie sehr er sich immer seiner Schwestern geschämt hatte, solange wir klein waren. Darauf entgegnete ich wahrheitsgetreu, daß er nicht halb so beschämt gewesen sein kann wie ich seinetwegen zu der Zeit, als er ein sehr selbstbewußter junger Lehrer an der Lateinschule und ich dort Schülerin war.
    >Napier Terrace< gibt es schon lange nicht mehr. Es war ein freundliches Haus gewesen, mit seinen altmodischen Giebeln, seinen kleinen Schlafzimmern unterm Dach und einer Terrasse, die von einer mit Immergrün und Rosen überwachsenen Balustrade geteilt wurde. Darunter gab es einen kleinen Rasen, nicht ausreichend für einen Tennisplatz, doch wir spielten eine Art vereinfachtes Krocket darauf. Von der Straße bis zum Haus wuchs eine hohe Geraniumhecke, ein glühender Farbfleck fast das ganze Jahr hindurch. Ein wunderbares Heim für kleine abenteuerlustige Kinder.
    Nach drei oder vier Jahren endete diese idyllische Phase, und ein neuer Zeitabschnitt begann. Mein Großvater, der beauftragt worden war, junge Missionare für die Arbeit im Osten zu werben, hatte keinen Erfolg mit seinem Aufruf, so daß er, wie Mr. Watson Rosevear in Waiapu, The Story of a Diocese schrieb, beschloß, sich selbst anzubieten, in der Hoffnung, daß, wenn schon niemand seinem Aufruf folgte, vielleicht einige seinem Beispiel folgen würden. Sein Angebot wurde angenommen, und man sandte ihn nach Persien.
    Bis dahin hatte ich nie Kummer gekannt; doch nun erfaßte selbst mich Traurigkeit bei der allgemeinen Abschiedsstimmung. Großvater, so glaube ich, war in der Hawke’s Bay sehr beliebt gewesen. Ich hörte noch viele Jahre später Geschichten über ihn, wovon eine, denke ich, wert ist, hier angeführt zu werden.
    Der Bischof und seine Tochter pflegten alle seelsorgerischen Besuche zu Pferd zu unternehmen. Bei einer dieser Gelegenheiten wurden die beiden nicht weit von Wairosa von schlechtem Wetter überrascht. Ein Fluß, der sonst kein Hindernis darstellte, war plötzlich hoch angeschwollen, und die Pferde mußten ihn schwimmend überqueren. Großvater wurde daraufhin von dem dort ansässigen Kaufmann eingeladen, die Nacht in seinem Hause zu verbringen. Die Frau des Gastgebers aber war voller Sorge, als sie seine nassen Kleider bemerkte. Unter vielen Entschuldigungen brachte sie schließlich die einzigen Kleidungsstücke an, die der Laden führte — ein Buschhemd und ein Paar lange Unterhosen.
    Am nächsten Morgen, als die beiden sich verabschiedeten,
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