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Das verwunschene Tal

Das verwunschene Tal

Titel: Das verwunschene Tal
Autoren: Hans Kneifel
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holte tief Luft und schrie Nottr zu: »In der Mitte hindurch, Nottr!«
    Nottr schrie keuchend zurück: »Ich versuch's!«
    Der Kampf ließ ihn seine Angst vergessen, der Kampf mit Wind und Wellen und mit dem bockenden, schlagenden Ruder. Das Boot raste dahin, und Nottr glaubte weit voraus eine schwarze und langgestreckte Masse zu erkennen, die sich vor die Sterne des Horizonts schob.
    War es Land? Oder war es ein Spuk, der seine Augen narrte, weil er sich so sehr wünschte, vor dem Bug endlich einen Teil der Nyrngor-Küste auftauchen zu sehen? Er vergaß seine Gedanken und versuchte, so gut er es konnte, das Boot auf dem richtigen Kurs zu halten.
    Mythor spähte angestrengt nach vorn.
    Trotz der Eiskristalle in seinen Augenbrauen und dem gefrierenden Schweiß auf seiner Stirn sah er, dass es zwischen den zwei mittleren Spinnenungeheuern jetzt noch genügend Platz gab, um unangefochten hindurch zu segeln. Aber von Atemzug zu Atemzug verringerte sich der Abstand, weil beide Kreaturen schräg auf den Seevogel zuschwammen. Es waren Giganten der Tiefe, riesige Wesen mit wild wirbelnden Gliedmaßen, mit gewaltigen Köpfen und zackenbewehrten Leibern.
    Mythor schloss die Augen. Trotz seines einzigartigen Schwertes und seines Muts fühlte er, wie ein eisiger Panzer sich um sein Herz legte.
    Dann aber schlugen seine Gedanken einen Haken. Er fühlte förmlich das Pergament an seiner Haut, dachte an das Bildnis darauf und daran, welch langer Weg noch bis zu dem Augenblick sein mochte, in dem er dieser jungen, betörenden Frau gegenüberstand. Und er wusste, dass er sie suchen und finden würde. Irgendwo, irgendwann, denn er würde sein Leben nicht in dieser Nacht auf dem eisigen, sturmdurchtosten Ozean lassen. Eine Ruhe, die er selten gefühlt hatte, kam über ihn. Er wartete mit dem Schwert in der Faust.
    Die Geschehnisse liefen mit ihrer eigenen Gesetzmäßigkeit ab.
    Das Boot flog förmlich über die Kronen der Wellen dahin. Es war dadurch, dass er das Eis zerhackt und über Bord gestemmt hatte, viel leichter geworden. Oder der Sturm hatte an Heftigkeit zugenommen. Jedenfalls erschien ihm der Lahme Seevogel plötzlich doppelt schnell.
    Von zwei Seiten näherten sich die Spinnenungeheuer. Auch sie waren teilweise in dicke Eispanzer gehüllt wie in schwere grünlichweiße Rüstungen. Wie rasende Schlangen streckten sich die Tentakel dem Boot entgegen. Krallen und Scheren blitzten im Mondlicht... ein Klirren wie von Schwertern erfüllte die eisige Luft. Zwei Krakenarme schlugen zu und trafen nur das Wasser, jeweils zwei Armlängen von Steuerbord und Backbord entfernt. Dann krachten wie Wurfanker die Klauen zweier weiterer Arme in den hochragenden Bug und in die Klampen, von denen die Ersatzriemen gehalten wurden.
    Mythor bewegte sich so schnell, wie er konnte; er hob das Schwert hoch über den Kopf und zerschnitt mit einem Schlag den links auftreffenden Arm. Dann fuhr er herum und nahm all seine Kraft zusammen. Der nächste Hieb zerschnitt den zweiten Arm, der dritte bohrte sich in den Schädel der Bestie, der rechts vom Bug aus dem Wasser ragte. Das Schwert drang so tief in den Schädel ein, dass Mythor bei dem Versuch, Alton wieder an sich zu reißen, fast über Bord gegangen wäre. Er schlug mit der Brust und dem Oberarm schwer gegen die Steuerbordkante, aber das Schwert blieb in seiner Hand.
    Das Boot rammte das Tiefseeungeheuer. Die zahllosen Arme des Untiers peitschten ziellos gegen das Boot und durch die Luft, als die Kreatur in einem gewaltigen Wasserwirbel und einer riesigen Menge rotgefärbter Luftblasen versank. Das Boot bäumte sich auf, kippte nach Backbord, wurde mitten in seiner rasenden Bewegung angehalten, fiel krachend und in einer Gischtwolke wieder zurück, und die blind umherschlagenden Arme trafen die zweite Bestie.
    Der Lahme Seevogel schüttelte sich. Jede einzelne Verbindung knirschte grauenhaft auf, als sei es ein Lebewesen. Der Anker polterte durch das Boot und bohrte sich mit einer Spitze neben dem abgetrennten Arm in die Planken. Wasser schoss neben dem Kiel durch einen Riss, der sich bei der nächsten Bewegung wieder schloss. Mythor sah einen Arm heranhuschen, sprang zur Seite und führte einen waagrechten Hieb.
    Das Schwert durchtrennte nur halb den Arm, aber dessen Kraft war gebrochen. Ein anderer Tentakel knallte heran. Mythor riss das Schwert schützend vor sein Gesicht und spannte die Muskeln. Die Wucht des Hiebes ließ die Schneide tief in die schwarze Haut dringen, zerriss einige Saugnäpfe,
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