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Das Versprechen des Opals

Das Versprechen des Opals

Titel: Das Versprechen des Opals
Autoren: Tamara McKinley
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Sie blieb eine ganze Weile so stehen und lauschte dem schwindenden Hufgetrappel und dem Prasseln des Regens auf dem Blätterdach des Waldes. Sie hatte nichts weiter gesagt, denn es war klar, dass er ihr nicht zuhören würde. Er hatte es zu eilig, hatte zu viel Angst, ertappt zu werden. Aber die Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen, gefielen ihr nicht. Konnte sie ihm vertrauen? Oder benutzte er sie nur?
    Henry entstammte einer Familie von reichen englischen Protestanten.Ihnen gehörte das Land, das sich vom Hafen bergauf erstreckte, durchzogen von einem Spinnennetz aus steinernen Mauern. Land, das in Parzellen aufgeteilt war, die wenig größer waren als die Wohnstube der O’Hallorans. Land, das kaum genug hervorbrachte, um die Bauern zu ernähren, wenn sie die Pacht bezahlt hatten. Henrys Herkunft bedeutete, dass ihre Liebe verboten war. Würde Henry die Kraft haben, sich gegen seinen tyrannischen Vater zu stellen? Liebte er sie so sehr, dass er riskieren würde, alles zu verlieren?
    Mit eingezogenem Kopf, die Arme fest um die Taille geschlungen, trat sie aus dem Schutz der Hütte und suchte sich ihren Weg durch den Wald. Er hatte gesagt, sie solle ihm vertrauen – aber konnte sie das? Wagte sie wirklich zu hoffen, dass er sein Versprechen halten würde und sie eines Tages zusammen sein würden? Würde er sie immer noch wollen, wenn die gesellschaftliche Saison begann und die Jagden und Bälle im Herrenhaus ihn in Anspruch nahmen?
    Sie glitt auf dem nassen Laub aus und stolperte über abgebrochene Äste und dorniges Gestrüpp. Ihr blieb nichts anderes übrig, als seinem Wort zu vertrauen. Aber Gott mochte ihr gnädig sein, wenn sie sich irrte.
    Ein scharfer Wind schlug ihr entgegen, als sie den Schutz des Waldes verließ und auf den Pfad gelangte, der sich zu dem Dorf am Ufer hinunterschlängelte. Er peitschte ihr das Haar aus dem Gesicht, presste ihr die Röcke an die Beine und ließ sie um ihre Knöchel flattern. Sie stemmte sich ihm entgegen und presste das Kinn tief in den Kragen ihres Mantels. Möwen schrien über dem Hafen, die Fischerboote zerrten an ihren Leinen, die Atlantikwellen donnerten gegen die steinerne Mole, und der matte Lichtschein aus den Hüttenfenstern war ein willkommener Anblick. Beinahe tränenblind kämpfte sie sich den Hang hinunter.
    Die Frauen sah sie erst, als es bereits zu spät war.Henry ließ Dan Finnigan im Stall zurück, und als er dafür gesorgt hatte, dass sein Pferd trocken war und genug Futter und Wasser hatte, rannte er über das Kopfsteinpflaster zum Haupthaus. Der Regen war noch heftiger geworden und peitschte beinahe waagerecht über den Hof. Hoffentlich war Maureen wohlbehalten zu Hause angekommen. In einer solchen Nacht jagte man nicht einmal einen Hund vor die Tür.
    Bei dem Gedanken an Maureen musste er lächeln, während er, immer zwei Stufen überspringend, die Treppe hinauf und in sein Zimmer stürmte. Das er Maureen liebte, war nicht verwunderlich; er hatte sie schon als Kind angebetet. Er riss sich die nassen Sachen vom Leib und zog sich hastig zum Abendessen um. Die Kinderzeit war die beste gewesen; die gesellschaftliche Kluft zwischen ihnen war ihm zwar schon damals bewusst gewesen, aber sie hatten mehr Freiheiten gehabt – Freiheiten, in denen ihre Freundschaft trotz der unterschiedlichen Lebensumstände hatte gedeihen können.
    Seufzend plagte er sich mit dem gestärkten Kragen und den goldenen Manschettenknöpfen. Mit dem Erwachsenwerden hatte sich das alles geändert, die Kluft war breiter geworden. Was hatte Irland nur an sich, dass es die Menschen zu solchem Hass anstachelte? Er war auf beiden Seiten nicht zu übersehen, weder in den protestantischen Enklaven noch in den katholischen Slums, aber es musste doch eine Lösung geben – eine Möglichkeit, dieses arme, ungebildete Land von seinen Jahrhunderte alten Problemen zu erlösen?
    Er band sich die Schleife um und schlüpfte in sein Jackett. Dann betrachtete er sich im Spiegel und zog spöttisch eine Augenbraue hoch. Was verstand er schon von irischer Politik, ganz zu schweigen von den Möglichkeiten, diese endlosen Kämpfe zu beenden? Er wusste nur, dass er Maureen liebte und dass er entschlossen war, einen Weg zu finden, immer mit ihr zusammenzu sein. Was kümmerte es ihn, dass sie katholisch war und dass ihr Vater zu den Unruhestiftern gehörte, die stimmgewaltig nach irischer Herrschaft riefen?
    Die unbehagliche Erinnerung daran, dass sein Vater energische Einwände gegen eine solche Verbindung
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