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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Joël Tan
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ungeliebten Verwandten zu bekämpfen. Der Erzbischof hoffte, dass die jahrelangen Unruhen mit den Stotelern sich auf diese Weise glätten ließen. Schließlich konnte er ihnen immer damit drohen, einen Dispensbrief zusammen mit dem Ablass der Mutter Walthers als Beweis zur Anerkennung der Stoteler Erbfolge Thymmos an den Papst zu verschicken, was ihnen weitaus mehr Scherereien bereiten würde. Doch seiner Vermutung nach würde es so weit wahrscheinlich gar nicht kommen. Der Stoteler Johannes I. war mit Sicherheit froh darüber, dass der ungeliebte Bastard Walther und seine Nachkommenschaft nicht nach seinen Besitzungen trachteten, und würde deshalb die Bedingungen des Erzbischofs zum friedlichen Auskommen akzeptieren. Albrecht von Schauenburg und der Erzbischof waren sich sicher, dass der einstige Schüler des Ratsnotars den ihm vorbestimmten Weg gut meistern würde – er war nicht allein, und er hatte den besten Lehrer gehabt.
    »Ich werde dich schrecklich vermissen, mein Sohn«, stieß Runa aus, die sich dieses Mal beherrschen konnte und nicht weinte. »Mach mich und deinen Vater stolz!«
    Thymmo löste sich aus ihrer Umarmung und sagte: »Das werde ich!« Niemand bemerkte seinen wissenden Unterton.
    Der Wagen rollte über die Steinstraße, vorbei am Beginenkloster. Hier fassten sich Ragnhild und Runa an den Händen und schauten gemeinsam auf die Gemäuer, die sie einige Jahre ihr Zuhause genannt hatten. Das Tor war einen Spaltbreit geöffnet, und Kethe, die Freundin Ragnhilds, schaute heraus. Auf ihrem Gesicht war ein Lächeln zu sehen – wie fast immer. Ihr Winken war der letzte Gruß, den sie empfingen, bevor sie durch das Steintor rollten.
    Die Familie schaffte es bis zum Dorf Bramstede, wo sie nächtigten. Dann, am nächsten Tag gegen die Mittagsstunde, befanden sie sich endlich kurz vor ihrem Ziel. Jeder war gespannt auf das Gut Drake, welches nun ihr Heim werden würde.
    Herrlichster Sonnenschein begleitete sie durch den Wald, der nicht zu enden schien. Sie waren allein auf den Wegen und hörten bloß das vertraute Poltern der Wagenräder, welche langsam den Weg über die Hügel hoch- und herunterrollten. Immer wieder stoben Rehe vor ihnen davon und verschwanden zwischen saftiggrünen Bäumen, die dicht an dicht den Wegesrand säumten. Nur hier und da schaffte es ein Sonnenstrahl auf die Erde. Erst ein großer See, den sie passierten, bot wieder freie Sicht auf den blauen Himmel darüber, und nur wenig später ließ der Wagenführer die Pferde auf einer Anhöhe stehenbleiben. Sie waren da.
    Niemanden hielt es mehr im Wagen – selbst Ragnhild nicht, die kurzzeitig den Schmerz in ihrem Knie vergaß.
    Zu ihren Füßen lag das Gut Drake.
    Walther ging zu Runa und legte ihr den Arm um die Schultern. »Das ist es also. Meinst du, du wirst dich hier wohlfühlen?«
    Runa blickte den Weg hinab, der bis vor die Tür des großzügigen Fachwerkhauses in der Mitte führte. Es war eingefasst in viele kleine Hütten und Häuschen. Weiden mit Vieh waren dahinter zu sehen, ordentlich bestellte Äcker und ein Fluss, der sich hindurchschlängelte. Sie zählte acht, neun, zehn, nein, noch mehr Menschen, welches allesamt fleißig ihre Arbeit taten. Und all das war umringt von diesem friedlichen, leuchtend grünen Wald, aus dem das liebliche Gezwitscher der Vögel drang.
    »Es ist wunderschön hier, Walther. Ich bin mir sicher, an diesem Ort werden wir glücklich«, sagte Runa überzeugt, und blickte ihrem Gemahl dabei in die Augen.
    »Dann, Liebste, sollten wir gehen und unser neues Heim in Empfang nehmen.«
    Sie alle stiegen zurück in den Wagen, und als er losfuhr, ertönten plötzlich die Klänge einer Laute. Walthers Gesang, den Runa so viele Jahre vermisst hatte, kam hinzu und ließ alle Frauen und Männer auf dem Gut zu ihnen herüberschauen. Sie winkten freudig und waren gespannt auf ihren neuen Herrn Walther von Sandstedt, den singenden Vasall und Spielmann des Grafen, von dem sie nur Gutes gehört hatten.

NACHWORT UND DANK
    Das Hamburg des 13. Jahrhunderts war im Gegensatz zu dem Hamburg, welches wir heute kennen, zunächst einmal eines – klein! Seine Stadtgrenzen reichten im Norden gerade mal bis zum Jungfernstieg, im Osten ungefähr bis zum Hauptbahnhof, im Süden bis zum äußersten Rande der Cremon-Insel und im Westen bis kurz hinter den Rödingsmarkt. Innerhalb dieses Bereichs lebten zur Zeit des Romans ungefähr fünftausend Menschen, und einige von ihnen trugen entscheidend dazu bei, dass Hamburg zu dem
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