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Das Verdammte Glueck

Das Verdammte Glueck

Titel: Das Verdammte Glueck
Autoren: Andreas Kurz
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Zeug zur Ärztin gehabt haben, auch keine Lust auf das viele Lernen. Oder Krankenschwester war wirklich ihr Traumberuf gewesen und sie tatsächlich stolz darauf, so bezeichnet zu werden. Sogar stolz darauf, als Krankenschwester überfallen worden zu sein. Von einem jungen Oberarzt, den ihr Körper um den Verstand gebracht hatte und der sich nicht mehr zurückhalten konnte. Der seine Familie, seine Frau, seine Kinder verriet und alle ins Unglück stürzte – nur wegen dieser sagenhaften jungen Frau, dieser Krankenschwester in ihrem weißen Kittel, wegen einer einzigen Nacht mit ihr, einem Rasen in Dunkelheit und Wahn ...
    Sie musste unwillkürlich lächeln. Sicher starrten sie ein paar Fahrgäste deswegen an.
    Weshalb lächelte die junge Frau? Hatte sie Grund dazu? Sie war hübsch, hatte auffallend schöne Beine ...
    Sollten sie doch. Sie sah zum Fenster hinaus, der Zug rollte gerade in eine Station, wartende Menschen huschten wie die Schatten Toter vorüber.
    Warum hatte sie eigentlich den Schlüssel behalten, damals, als sie sich trennten und sie die Wohnung verließ? Wahrscheinlich war es ihm egal gewesen, oder er hatte es einfach vergessen. Er kannte nicht einmal ihre neue Adresse. Die Handynummer hatte sich geändert, und tschüss war man im Grau der Stadt verschwunden. Sicher hatte er nicht nach ihr gesucht; dazu war er nicht der Typ. Dinge fügten sich zusammen und brachen wieder auseinander, war eben so. Er konnte damit leben. Ließ es kommen, nahm es hin, alles ziemlich egal.
    Nur keinen Aufstand, keinen Zickenalarm, einfach cool bleiben, Baby, cool!
    Der Mann faltete die Zeitung zusammen und stopfte sie in den Abfallbehälter unter dem Fenster. Wen interessierte jetzt noch, was ihr widerfahren war? War doch eh egal. Das war Unterhaltungslektüre, mehr nicht. Man las es, geilte sich dran auf, vergaß es wieder. Eine Krankenschwester hatte Pech gehabt, gab ja genug andere. So einfach.
    Sie hatte erwartet, dass Steffen sich die Mühe machen und ihre neue Adresse herausfinden würde. Wär auch nicht schwer gewesen. Ein Anruf bei einer ihrer Freundinnen hätte genügt. Er hätte wenigstens mal vorbeischauen können, Hallo sagen und fragen, wie’s so geht. Aber er kriegte natürlich seinen Arsch nicht hoch, warum auch, war 'ne schöne Zeit und gut.
    Doch was soll’s, das war gestern, also nimm’s locker, Süße!
    Arschgeige!
    Leute stiegen aus und ein. Der Wagen ruckte an, und die Röhre saugte sie ein. Betonpfeiler mit Neonlampen flitzten vorbei, immer schneller. Sie sah Türen und Treppen, die Hinterzimmer einer Station. Ankommen, einen kurzen Eindruck erhaschen und weiter. Gleich war man wieder weg.
    Steffen hatte gesagt, er liebe sie so sehr, wie eigentlich noch keine vorher. Und sie musste über das 'eigentlich' nachdenken. Wieso hatte er 'eigentlich' gesagt? Das Wörtchen hatte sie gestört, es ragte wie ein Fremdkörper aus dem Satz. Steffen war sehr zärtlich gewesen und aufmerksam, voller Überraschungen, kein Langeweiler. Und er sah gut aus, war groß, war kräftig, hatte die blausten aller Augen. Als würde ein Licht sie von innen heraus erstrahlen lassen. Wie aus einem Magazin, fast schon zu perfekt.
    «Ich liebe dich so sehr», diese Worte wird er nun einer anderen ins Ohr flüstern, ihr dabei wollüstige Gefühle bereiten. Darin war er wirklich gut. Er konnte eine Frau verrückt machen, verrückt nach ihm. Vielleicht bemerkte er nicht einmal einen Unterschied zwischen ihr und der Neuen. Nicht wirklich jedenfalls. Nicht in den Dingen, die zählten. Sich vorzustellen, dass man verglichen wurde, löste kein gutes Gefühl aus. Was war jetzt besser, was damals schlechter? Brüste oder Hintern, sie konnte es sich aussuchen. Schließlich musste er sich doch verbessert haben. Wie sportlich würde die Neue sein? Steffen liebte sportliche Frauen mit straffer Haut. Bloß keine wabbeligen Fettpölsterchen, um Gottes willen! Sich nicht gehen lassen, sich im Griff haben, auch die Gefühle, nicht zicken, bloß keine Launen zeigen.
    «Du liebe Zeit, verschon mich! Bist du wieder fünf oder was? Werd' endlich erwachsen! Sei eine Frau, die ihren Kopf in den Nacken fallen lässt und lacht, wenn man sie auf den Hals und die Brüste küsst, mit der Zunge neckt, sie besteigt und beherrscht nach all den zähmenden Ritualen, die vorausgehen!»
    Steffen stand auf die schlanken, zierlichen Typen mit langen Haaren. Die körperlich Kindfrauen blieben, wie sie, noch nicht erwachsen, auch mit achtundzwanzig nicht. Vielleicht
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