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Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall

Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall

Titel: Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Autoren: David Hewson , Soren Sveistrup
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in Erinnerung hatte. Stieg dann wieder in seine knallrote Latzhose. Vierundvierzig, rotes, graumeliertes Haar, Koteletten bis zu dem breiten Kinn hinab, ein Gesicht, das von einem Augenblick zum anderen von heiß zu kalt und dann wieder zur gewohnten undurchdringlichen Miene wechseln konnte. Pernille war ein Jahr jünger, eine vielbeschäftigte Frau, noch gut in Form nach drei Kindern, sodass sie seine Blicke noch genauso auf sich zog wie vor zwanzig Jahren, als sie sich kennengelernt hatten. Sie schaute zu, wie er in die schwere Hose stieg, und sah sich dann in der kleinen Wohnung um.
    Nanna war schon in ihrem Bauch gewesen, als sie nach Vesterbro zogen. In ihrem Bauch, als sie heirateten. Hier, in diesem hellen, farbenfrohen Raum – Topfpflanzen am Fenster, Fotos an den Wänden, all der Krimskrams einer Familie – hatten sie sie großgezogen. Vom schreienden Säugling zum schönen jungen Mädchen, und in zu großem Abstand waren Emil und Anton dazugekommen, jetzt sieben und sechs. Die Wohnung lag über dem Lager von Birk Larsens Spedition. Unten herrschte mehr Ordnung als in den beengten Räumen oben, wo sie zu fünft lebten und einander ständig im Weg waren. Ein Sammelsurium von Souvenirs, Kinderzeichnungen, Spielzeug und vielem anderem. Pernille betrachtete die Küchenkräuter am Fenster, durch die grün das Licht schien.
    Voller Leben.
    »Nanna wird bald ein eigenes Apartment brauchen«, sagte sie und strich ihr langes kastanienbraunes Haar glatt. »Könnten wir nicht eine Anzahlung machen?«
    Er stöhnte, lachte.
    »Die Entscheidung überlassen wir besser ihr. Erst einmal muss sie mit der Schule fertig sein.«
    »Theis …«
    Sie schmiegte sich wieder in seine kräftigen Arme, sah ihm ins Gesicht. Manche hatten Angst vor Theis Birk Larsen. Sie nicht.
    »Vielleicht ist das mit der Anzahlung gar nicht nötig«, sagte er.
    Sein derbes Gesicht verzog sich zu einem verschmitzten Grinsen.
    »Warum nicht?«
    »Das wird nicht verraten.«
    »Sag’s mir!«, rief Pernille und boxte ihn gegen die Brust.
    »Dann wär’s ja kein Geheimnis mehr.«
    Er ging die Treppe hinunter ins Lager. Sie folgte ihm. Transporter und Arbeiter, Paletten und in Schrumpffolie verpackte Güter, Inventarlisten und Zeitpläne.
    Die Dielen in der Küche knarrten. Vielleicht hatte sie auch geschrien. Sie hatten es gehört, das sah sie an ihren grinsenden Gesichtern. Vagn Skærbæk, Theis’ ältester Freund, der schon vor ihr da gewesen war, tippte sich an einen imaginären Hut.
    »Sag schon!« Sie nahm seine alte schwarze Lederjacke vom Haken.
    Birk Larsen zog die Jacke an, holte die unvermeidliche Wollmütze aus der Tasche, setzte sie auf. Innen rot, außen schwarz. Er schien in dieser Kluft zu wohnen. Wie ein rotbrüstiger wilder Robbenbulle sah er darin aus, zufrieden mit seinem Revier, bereit, jeden Eindringling abzuwehren.
    Ein Blick auf das Klemmbrett, ein Häkchen neben eine Fuhre, dann rief er Vagn Skærbæk zum nächststehenden Transporter. Ebenfalls scharlachrot. Wie an der Arbeitskleidung der Männer prangte auch an dem Wagen der Name Birk Larsen. Und an dem roten Christiania-Dreirad mit dem Transportkasten, das Skærbæk noch immer am Laufen hielt, achtzehn Jahre, nachdem sie es gekauft hatten, um Nanna darin in der Stadt herumzukutschieren.
    Birk Larsen. Herrscher über ein glückliches kleines Reich. König seiner kleinen Welt in Vesterbro.
    Klatschte in seine riesigen Hände. Bellte Befehle. Dann ging er los. Pernille Birk Larsen blieb stehen, bis sich die Männer wieder an die Arbeit machten. Die Steuervoranmeldung musste fertiggestellt werden. Geld musste bezahlt werden, und das war nie angenehm. Geld musste auch versteckt werden. Niemand gab dem Staat alles, wenn er es vermeiden konnte.
    Wir brauchen nicht noch mehr Geheimnisse, Theis , dachte sie.
    Unter der bronzenen Absalon-Statue, unter dem Glockenturm und dem zinnenbewehrten Dachfirst, vor der türmchenverzierten roten Backsteinfestung des Rådhus, des Kopenhagener Rathauses, standen drei Plakate: Kirsten Eller, Troels Hartmann, Poul Bremer. Lächelnd, wie es nur Politiker können.
    Eller, die Frau, schmale Lippen, wie zu einer Art Schmunzeln zusammengepresst. Die Zentrumspartei, die ewig in einer Art philosophischem Niemandsland festsaß und darauf hoffte, sich an die eine oder die andere Seite anhängen zu können und dann die Brosamen vom Tisch des Herrn abzubekommen.
    Darunter strahlte Poul Bremer in die Stadt hinaus, die ihm gehörte. Oberbürgermeister von
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