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Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)

Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)

Titel: Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)
Autoren: Steve Berry
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sahen praktisch wie Gefangene aus.
    Durch die Flügel einer metallenen Schwingtür betraten sie eine weitere Abteilung. Der Raum war ziemlich groß, er bot Platz für mindestens ein Dutzend Kranke, doch dort stand jetzt nur ein einziges Bett. Darin lag ein Patient zwischen schmuddeligen, weißen Laken.
    Es stank.
    »Wie ich sehe, haben Sie die Bettwäsche in Ruhe gelassen«, sagte er.
    »Das hatten Sie angeordnet.«
    Noch etwas, was der Informant zu seinen Gunsten berichten konnte. Jin Zhao war vor zehn Monaten verhaftet worden, erlitt während seiner Befragung aber eine Gehirnblutung. In der Folge wurde er des Verrats und der Spionage angeklagt. Der Fall wurde vor einem Gericht in Peking verhandelt, und Zhao wurde verurteilt, alles in Abwesenheit, da er hier in der Klinik lag, im Koma.
    »Er liegt genauso da wie neulich, als Sie ihn zuletzt gesehen haben«, sagte die Ärztin.
    Peking lag mindestens tausend Kilometer im Osten, und er nahm an, dass diese Entfernung der Frau den Rücken stärkte. Man kann die Drei Armeen ihres Oberbefehlshabers berauben, aber selbst dem geringsten der Bauern kann man nicht seine Meinung nehmen. Noch so ein Unsinn von Konfuzius. Tatsächlich konnte die Regierung das nämlich, und diese unverschämte Schlampe sollte das besser bedenken.
    Er gab einem der Uniformierten einen Wink, und dieser führte die Ärztin zur anderen Seite des Raums.
    Er trat ans Bett.
    Der Mann, der dort lag, war Mitte sechzig. Sein schmutziges Haar war lang und zerzaust, der ausgemergelte Körper und die eingesunkenen Wangen erinnerten an einen Toten. Im Gesicht und auf der Brust hatte er blaue Flecken. Beide Arme hingen an einem Tropf. Ein Beatmungsgerät versorgte seine Lungen mit Luft.
    »Jin Zhao, Sie sind des Verrats gegen die Volksrepublik China für schuldig befunden worden. Es wurde ein Urteil verkündet, gegen das Sie Berufung einlegten. Zu meinem Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass der Oberste Volksgerichtshof Ihrer Hinrichtung zugestimmt und die Berufung verworfen hat.«
    »Er hört kein Wort von dem, was Sie sagen«, erklärte die Ärztin von der anderen Seite des Raums.
    Er hielt die Augen auf das Bett gerichtet. »Vielleicht nicht, aber die Worte müssen gesprochen werden.« Er wandte sich ihr zu. »So lautet das Gesetz, und er hat ein Recht auf ein korrektes Verfahren.«
    »Sie haben ihm den Prozess gemacht, obwohl er gar nicht da war«, platzte sie heraus. »Sie haben nie gehört, was er zu sagen hatte.«
    »Sein juristischer Vertreter hat Gelegenheit erhalten, Entlastungsmaterial vorzulegen.«
    Die Ärztin schüttelte voll Abscheu den Kopf, das Gesicht bleich vor Hass. »Hören Sie, was Sie da sagen? Der Vertreter hatte nie Gelegenheit, auch nur mit Zhao zu sprechen. Was hätte er da wohl an Entlastendem vorbringen können?«
    Tang konnte nicht entscheiden, ob einer seiner Mitarbeiter oder einer der Armeeoffiziere der Informant war, der nun gewiss aufmerksam hinsah und hinhörte. Inzwischen konnte man sich eigentlich bei gar nichts mehr sicher sein. Alles, was er wusste, war, dass sein eigener Bericht an das Zentralkomitee nicht die einzige Darstellung dieses Ereignisses sein würde. Daher stellte er klar: »Sind Sie sich sicher? Zhao hat niemals irgendetwas geäußert?«
    »Er ist bewusstlos geschlagen worden. Sein Gehirn ist zerstört. Er wird nie mehr aus dem Koma erwachen. Wir halten ihn nur deshalb am Leben, weil Sie … nein, verzeihen Sie, weil das Zentralkomitee es befohlen hat.«
    Er bemerkte den Abscheu in den Augen der Frau, etwas, was er in letzter Zeit immer öfter gesehen hatte. Insbesondere bei Frauen. Beinahe das gesamte Klinikpersonal – Ärztinnen wie Schwestern – war weiblich. Seit Maos Revolution hatten die Frauen große Fortschritte gemacht, doch Tang hielt sich immer noch an den Spruch, den sein Vater ihn gelehrt hatte. Ein Mann äußert sich nicht zu den Angelegenheiten im Haus und eine Frau nicht zu den Angelegenheiten außerhalb des Hauses.
    Diese unbedeutende Ärztin, die in einer unwichtigen staatseigenen Klinik arbeitete, begriff nicht, vor welcher Herausforderung er stand. Peking regierte ein Land, das sich von Ost nach West über fünftausend Kilometer erstreckte, und von Nord nach Süd über dreitausend. Ein bedeutender Teil des Landes bestand aus unbewohnbaren Gebirgen und Wüsten, einigen der trostlosesten Regionen der Welt. Nur zehn Prozent der Landfläche waren kultivierbar. Die Bevölkerung umfasste beinahe anderthalb Milliarden Menschen – mehr
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