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Das verbotene Eden 02 - Logan & Gwen

Das verbotene Eden 02 - Logan & Gwen

Titel: Das verbotene Eden 02 - Logan & Gwen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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dicken Zopf geflochten, den sie zusätzlich mit Kornblumen oder Mohnblüten, mitunter auch mit braunen oder goldenen Bändern schmückte. Am beeindruckendsten waren ihre Augen. Sie schienen alles und jeden zu sehen, nichts entging ihnen. Von Alterserscheinungen, wie bei so vielen anderen Frauen ihrer Generation, war bei Magdalena nichts zu spüren. Sie habe keine Zeit, vergesslich zu werden, sagte sie immer. Wer rastet, der rostet. Dabei hatte sie alles andere als ein leichtes Leben gehabt. Vermutlich war es der tägliche Umgang mit Menschen, der sie jung bleiben ließ.
    Gwen fasste sich ein Herz. »Bitte verzeiht, Herrin. Es tut mir leid, ich habe mich verspätet. Ich weiß, es ist diese Woche schon das dritte Mal, aber bei mir geht im Moment einiges drunter und drüber. Seit Junas Fortgang ist mein Leben nicht mehr so, wie es war. Es wird nicht wieder vorkommen, ich verspreche es Euch.«
    Die Augen der alten Frau ruhten auf ihr. Kühl, nüchtern und von stahlgrauer Ruhe. »Wie lange bist du jetzt einfache Pflegerin?«
    »Vier Jahre, Herrin.«
    »Hattest du nie den Wunsch, mehr aus deinem Beruf zu machen? Wolltest du nie zur Schwesternschaft der Heilerinnen gehören?«
    »Doch, Herrin, mehr als alles andere. Ihr wisst das. Ich habe in den letzten zwei Jahren alles gelernt, was es über die Heilkunst zu wissen gibt. Ich habe mich mit anderen Heilerinnen unterhalten und mir von ihnen zeigen lassen, wie man gebrochene Knochen schient, Wunden reinigt und näht, ja sogar Operationen durchführt. Ihr könnt Schwester Theresa fragen. Ich war immer sehr gelehrig und aufmerksam …«
    »Ich habe mit Theresa gesprochen.«
    Gwen stutzte. »Tatsächlich?«
    »Sie sagt, du wärst die beste Schülerin, die sie je hatte.«
    »Oh, das ist …« Gwen fehlten die Worte. Im Geist hatte sie sich schon ausgemalt, welchen Verlauf das Gespräch nehmen würde. Über die Frage nach dem beruflichen Ziel bis hin zur Ermahnung, dass sie dafür aber mehr tun müsse – das ganze Programm. Stattdessen jetzt ein Lob.
    »Danke«, sagte sie. »Ich dachte …«
    »Ich habe eine Überraschung für dich.«
    Gwen verstummte zum zweiten Mal. Diesmal länger.
Aha,
dachte sie.
Jetzt kommt’s.
Es war klar, dass die oberste Heilerin ihre Verspätung nicht einfach so hinnehmen würde.
    »Was für eine Überraschung?«, fragte sie mit leiser Stimme.
    Magdalena straffte die Schultern. »Du bist schon sehr lange bei uns. Du hast viel gelernt und bist eine ausgezeichnete Pflegerin. Ich will, dass du versuchst, mehr aus dir zu machen. Besonders vor dem Hintergrund von Junas Fortgang. Du musst auf andere Gedanken kommen, und der beste Weg dahin führt über die Arbeit. Glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche.« Ein trauriges Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Wir brauchen gute Heilerinnen, und du könntest eine werden, das spüre ich. Natürlich müsstest du dich mehr ins Zeug legen, pünktlicher werden und mehr Distanz zu deinen Kranken aufbauen. Du stehst ihnen oft zu nah, und das könnte zum Problem werden, wenn du sie operieren müsstest.« Magdalena hob den Kopf. »Du wirst die Prüfung ablegen. Morgen früh. Du wirst eine Behandlung durchführen, allein und ohne Hilfe. Wenn es dir gelingt, wirst du in den Kreis der
Eiren
aufgenommen, der Töchter der Göttin Sulis. Dann darfst du dich künftig als Heilerin bezeichnen. Wenn nicht, nun …« Sie zuckte die Schultern. »Dann musst du eben noch mal ein Jahr warten. Jetzt geh. Du hast den Rest des Tages frei, um dich auf die Prüfung vorzubereiten.«
    »Ihr … ihr wollt, dass ich die Prüfung zur Heilerin ablege? Morgen?«
    »Ich meine, mich zu erinnern, das gesagt zu haben, ja.«
    Gwen wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Der Moment, auf den sie so lange gehofft und um den sie gebetet hatte, war plötzlich da. Wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel. Typisch Magdalena.
    »Ich … danke Euch«, stammelte sie. »Das ist … bei den Göttinnen, wenn ich das meiner Freundin erzähle. Die wird ganz aus dem Häuschen sein.«
Nun, vielleicht auch nicht,
dachte Gwen. Sie wusste, was Solveig von ihrer Arbeit hielt.
    »Dank mir nicht zu früh«, sagte Magdalena. »Konzentrier dich auf die bevorstehende Prüfung und denke noch einmal in Ruhe über alles nach, was du gelernt hast. Ich werde es dir nicht zu leicht machen. Du wirst deine ganze Kraft brauchen.« In ihren Augen funkelte es. »Und untersteh dich, wieder zu spät zu kommen. Ich habe schon Anwärterinnen wegen
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