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Das verbotene Eden 02 - Logan & Gwen

Das verbotene Eden 02 - Logan & Gwen

Titel: Das verbotene Eden 02 - Logan & Gwen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Gespräche mit ihren Freundinnen, die Arbeit im Garten, all das hatte ihr geholfen, den Schmerz und die Fragen zu verarbeiten. Ganz auslöschen konnten sie sie jedoch nicht. Sie war so in Gedanken versunken, dass sie beinahe den zweiten Morgengruß überhört hätte.
    Mit schnellen Schritten eilte sie über die Brücke. Die Holzbohlen unter ihren Füßen knarrten. Sie lauschte. Hatte man sie gehört? Doch am anderen Ufer war alles still. Keine Spur von den Wachen.
    Das Wasser gluckerte unter den Stützpfosten und schwappte gegen das Ufer. Geheimnisvolle Nebelschwaden trieben über die Oberfläche. Gwen fröstelte.
    Ohne Zwischenfälle erreichte sie die Tempelinsel und folgte im Uhrzeigersinn dem schilfbestandenen Weg. Alles war ruhig. Drüben von der Schmiede waren die ersten Hammerschläge zu vernehmen. Irgendwo krähte ein Hahn. Wenige Augenblicke später erreichte sie die Rückseite der Insel und den zweiten Steg. Immer noch keine Spur von den Wachen. Doch sie waren hier. Niemand betrat die Insel, ohne von ihnen gesehen zu werden; sie hielten sich jedoch meist versteckt.
    Gwen zog den Kopf ein und eilte über den Steg. Nur noch wenige Schritte, dann war sie drüben. Sie atmete auf.
    Geschafft.
    Als sie sich noch einmal umwandte, glaubte sie, rechts vom Steg ein Blinken zwischen den Bäumen zu erkennen. Die polierte Oberfläche einer Rüstung? Vermutlich. Diese Frauen waren geborene Kriegerinnen. Juna war lange Zeit eine von ihnen gewesen. Sie hatte Gwen einiges über die Kaste der Brigantinnen erzählt: von ihrer Ausbildung, dem Drill und den Kampfkünsten, von ihrer geistigen Disziplin, dem Gehorsam und der nicht zu erschütternden Treue zum Hohen Rat und zu den Bewohnerinnen dieses Landes. Dass sich ausgerechnet Juna mit einem Mann davongestohlen hatte, war für Gwen immer noch schwer nachvollziehbar. Keine Zeit für schwermütige Gedanken, ermahnte sie sich. Vom Gebetsturm erscholl der dritte und letzte Morgengruß.
    Gwen biss sich auf die Unterlippe. Wieder zu spät. Das war schon das dritte Mal diese Woche. Die oberste Heilerin würde nicht erfreut sein.
     
    Sie sah Magdalena schon von ferne. Den Rücken ihr zugewandt, befüllte sie Blumenkästen mit Geranien und zupfte abgestorbenes Laub ab. Zusammen mit den grünen Blättern bildeten die violetten Blüten einen wunderbaren Kontrast zu den weißgekalkten Außenwänden und den dunklen Holzbalken.
    Die Häuser der Heilung bestanden aus drei langgezogenen, mit dunklem Riedgras gedeckten Fachwerkbauten, die ein Hufeisen bildeten. Das Zentrum nahm ein kleiner Park ein, in dem sich Rasenflächen und alte Bäume abwechselten. Gwen sah Kranke und Pflegerinnen, die den Sonnenschein genossen oder langsam im Schatten der Bäume herumschlenderten.
    Magdalenas Heilmethode beruhte darauf, den Kranken ihren Lebensmut zurückzugeben. Dazu gehörten ein respektvoller Umgang und der Aufenthalt in einer schönen Umgebung. Bänke, Tische und mit weißem Kies gestreute Wege luden zum Verweilen ein und stärkten Körper, Geist und Seele. Magda sagte immer, die Genesung beruhe in erster Linie auf Selbstheilungskräften. Wer nicht gesund werden wollte, der wurde es auch nicht – ganz gleich, welche medizinischen Kunststückchen man an ihm vollbrachte.
    Die oberste Heilerin hatte die Arbeit an dem Gesteck beendet und sich umgedreht. Ein Lächeln lag auf ihrem faltigen Gesicht, ganz so, als hätte sie gewusst, dass Gwen hinter ihr stand.
    »Hallo, Gwen, sei gegrüßt. Hattest du eine angenehme Nacht?«
    »Ja, Herrin, danke.« Gwen senkte den Kopf in Erwartung einer Standpauke. Doch es kam nichts. Magdalena tat nie, was man von ihr erwartete.
    Die oberste Heilerin war alt. Uralt. Niemand wusste genau, wie viele Winter bereits hinter ihr lagen, aber es mussten weit über achtzig sein. Sie gehörte zu den betagtesten Frauen in Glânmor und zu den wenigen, die den Zusammenbruch und die Dunklen Jahre miterlebt hatten. Sie sprach nicht gerne darüber, aber Gwen hatte trotzdem einiges aufgeschnappt. Es gingen Gerüchte, Magdalena wäre mit einem Mann zusammen gewesen, als die Katastrophe hereinbrach. Angeblich habe sie ihn niedergestochen und sei dann Hals über Kopf in die Wildnis geflohen.
    Magdalena war etwa einen Meter sechzig groß, von schmaler Statur und einnehmendem Wesen. Wenn sie lächelte, dann schien die Sonne, und wenn sie zornig war, dann donnerte und blitzte es! Ihre Haare waren schlohweiß und gingen ihr bis zur Hüfte. Selten trug sie sie offen; meist waren sie zu einem
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