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Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee

Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee

Titel: Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee
Autoren: Stefan Seitz
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stand Primus im Mondschein vor dem Fenster, während er sich langsam den roten Saft aus dem Mund über das Kinn laufen ließ.
    »HIHIHIII!« Ein schrilles Lachen folgte und schon war Primus, in seiner Gestalt als Fledermaus, nach draußen gehuscht.
    Er packte das Tortenbündel, flog damit zum Marktplatz und legte es in einer sicheren Ecke nieder.
    »Jetzt kommt der spaßige Teil der Nacht. Zeit zum Aufstehen!«
    Mit lauten Rufen flog er über den Marktplatz, woraufhin schon nach kurzer Zeit die ersten Lichter angingen. Bevor die Leute aber aus den Häusern stolpern konnten, klatschte er einmal laut mit den Flügeln und legte sich dann regungslos unter die Laterne – die Flügel ausgestreckt, wie nach einem Sturz.
    »Wo ist er? Wo ist der Schatten?«, riefen die Leute. »Haben wir ihn endlich erwischt?« Die Menge schaute sich um. »Da drüben liegt er«, schrie jemand. »Seht ihr?! Die Schleuder am Kirchturm hat funktioniert!«
    Ein Raunen ging durch das Dorf.
    Überall strömten die Leute in Nachthemden und Pantoffeln auf die Straße. Die Tür des Gasthauses öffnete sich und eine Schar Betrunkener kam herausgetorkelt. Einige Frauen mit rüschenbesetzten Schlafhauben blickten ihre Männer streng an. Dann schauten sie wieder auf Primus, der immer noch platt auf dem Boden lag.
    »Ist er tot?«, fragte ein Mann. »Was machen wir jetzt?«
    »Vollkommen egal«, meinte ein anderer, »zumindest sind wir diese Landplage los.«
    Die Menge verstummte und alle starrten auf die Fledermaus.
    Eine dicke Frau mit puterroten Pausbacken beugte sich vor: »Ich glaube nicht, dass er tot ist«, flüsterte sie mit zitternder Stimme. »Der ist bestimmt nur ohnmächtig.«
    »Wir sollten ihn vielleicht untersuchen«, kam es aus der Menge. »Man kann ja nie wissen.«
    Ein nervöses Getuschel machte sich breit. Vorsichtig nahm ein Mann einen Ast, um die Fledermaus damit anzustupsen. Die Dorfbewohner hielten den Atem an. Es herrschte Totenstille, als der Ast die Fledermaus berührte.
    Darauf hatte Primus gewartet.
    Mit einem Schrei und einer Rauchwolke verwandelte er sich zurück und sprang auf die Beine. Er riss die Augen auf, wobei er die Menge mit blutrotem kirschsaftverschmiertem Gebiss anbrüllte.
    Das hatte gesessen.
    Die Leute stürmten davon, als wäre der Teufel hinter ihnen her. Ein jeder wollte nach irgendetwas greifen, wollte Anweisungen geben, aber keiner konnte auch nur ansatzweise einen klaren Satz hervorbringen. Alle kreischten in Panik durcheinander und ruderten mit den Armen, während Primus laut schreiend hinter ihnen herlief.
    »DER SCHATTEN LEBT!«, riefen die Leute. »ER LEBT! Dieses Ungeheuer ist lebendig. Und er hat auch noch Blut gesaugt!!!«
    Der Aufruhr nahm zu.
    Dann aber kam die Szene der Vorstellung, die Primus jedes Mal am liebsten hatte. Denn als die Ersten wieder zur Besinnung kamen, holten sie wie immer ihre Waffen und gingen zum Gegenangriff über. Schnell verwandelte sich Primus und segelte durch die aufgebrachte Menge auf sein Bündel zu. Er schnappte es sich mit den Krallen, bevor er zur Laterne steuerte. In großen Kreisen flog er um die Straßenlaterne herum, während ihm die Leute wieder einmal mit Schaufeln, Mistgabeln und Fackeln bewaffnet hinterherliefen … immer im Kreis und immer im Kreis …
    Schließlich verlor er die Lust. Er schlug die Richtung zum Finsterwald ein und flatterte lachend zum Turm. Der Heimweg dauerte nun ein wenig länger, da er mit den Tortenstücken nicht gar so flink war. Außerdem musste er gut aufpassen, dass er mit dem Bündel nicht gegen einen der Äste schlug. Snigg hatte ihn doch ausdrücklich zur Vorsicht ermahnt. Als er endlich zu Hause ankam, saß Snigg noch immer auf der Gartenmauer und blickte ihm entgegen.
    »So, mein dicker Freund«, rief Primus ihm zu. »Hier kommt dein Frühstück.«
    Sniggs Augen leuchteten, als Primus das Paket auf der Gartenmauer auspackte. Mit einem einzigen Happen verschlang er das erste Stück.
    »Prima«, kam es mit einigen Bröseln aus seinem vollen Mund. »Himbeertorte, frisch vom Bäcker.«
    Primus lachte und setzte sich zu ihm auf die Mauer. Er nahm den Zylinder ab und strich sich die Haare aus dem Gesicht.
    »Du hattest Recht«, sagte er, »es gab Nebel. Aber auch wie immer einen Riesenspaß.«

Hexenjagd im Finsterwald
    E in paar Wochen später brach der Sommer aus und es wurde heiß. Endlich! Nach dem viel zu langen und trüben Frühling war es für alle eine willkommene Abwechslung. Zunächst jedenfalls. Denn die Heiterkeit
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