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Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Titel: Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)
Autoren: Gavin Extence
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Jetzt gab es keinen Raum mehr für Doppeldeutigkeit.
    Mr. Peterson musste die Antworten auf all diese Fragen aufschreiben und dann noch ein halbes Dutzend unterschiedlicher Dokumente unterschreiben, in denen er seine Absichten beteuerte und den Begleitpersonen das Recht übertrug, nach seinem Tod mit den Schweizer Behörden Kontakt aufzunehmen. Danach half ich ihm ins Badezimmer ( Ich will nicht, dass meine letzten Gedanken meiner Blase gelten , schrieb Mr. Peterson.) Und als wir zurückkamen, sagte er Petra, dass er nun bereit sei, das Mittel gegen den Brechreiz einzunehmen. Das war eine Vorsichtsmaßnahme, um sicherzustellen, dass das Natrium-Pentobarbital, das extrem unangenehm schmeckte, im Magen blieb. Wie immer redete Petra Klartext. »Das Pentobarbital schmeckt giftig«, sagte sie zu uns. »Die natürliche Abwehrreaktion des Magens besteht darin, es zu erbrechen.« Daher wurde zunächst immer ein Mittel gegen Übelkeit verabreicht, und zwar mindestens eine halbe Stunde vor der Einnahme des Gifts, damit es seine volle Wirkung entfalten konnte.
    Und dann mussten wir warten.
    Und es gab eine Million Dinge, von denen ich glaubte, dass ich sie sagen müsste, aber ich konnte in meinem Kopf einfach keine Ordnung schaffen. Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Ich vermute, ich wirkte verstört, denn nach einer Weile reichte mir Mr. Peterson eine Notiz.
    Ich verstehe dich. Du musst überhaupt nichts sagen. Dass du hier bist, reicht völlig aus.
    Ich nickte. Er hatte recht. Manchmal waren Worte nicht nötig.
    Leg doch ein bisschen Musik auf , schlug Mr. Peterson vor.
    »Was würden Sie gerne hören?«
    Mr. Peterson schenkte mir ein schiefes Lächeln. Viel zu viel. Die Entscheidung ist zu schwierig für mich. Such du etwas aus.
    Ich dachte kurz nach. »Wie wäre es mit Mozart? Es gäbe sicher Schlimmeres.«
    Mr. Peterson nickte. Einverstanden.
    Ich legte Mozarts Klavierkonzert Nr. 21 in C-Dur ein. Mr. Peterson schloss die Augen und lauschte. Ich saß da und beobachtete ein paar Spatzen durch das Glas der Verandatür, wie sie zwischen den frischen grünen Trieben im Garten hin und her flatterten. Ihre Schatten flitzten wie dunkle Marionetten unter ihnen dahin. Die doppelt verglasten Türen und Fenster schotteten das Innere des Hauses von jeglichem Lärm der Straßen und der Fabriken ab. Kein Flüstern drang herein. Kein Laut war zu hören, außer den schimmernden Klängen von Mozart und dem langsamen Auf und Ab meines Atems.
    Als die Musik zu Ende war, bedeutete mir Mr. Peterson, Petra zu rufen, die sich in eine Ecke auf einen Stuhl gesetzt hatte.
    Ich bin jetzt bereit zu sterben ,schrieb er. Ich möchte, dass Sie das Gift für mich vorbereiten.
    Auf mich gestützt, ging er zu dem kleinen Ledersofa, das auf den Garten hinausblickte.
    »Wollen Sie noch etwas Musik hören?«, fragte ich.
    Spiel den Mozart noch einmal ,schrieb Mr. Peterson. Er passt so gut.
    Nach ein paar Minuten kehrte Petra mit einem kleinen Glas zurück, in dem sich das aufgelöste Natrium-Pentobarbital befand. Die Flüssigkeit war klar und farblos wie gewöhnliches Leitungswasser. Sie stellte das Glas vorsichtig auf den Tisch neben Mr. Peterson und legte den Strohhalm daneben, wie in seiner Akte vermerkt.
    »Nachdem Sie das getrunken haben, dauert es zwischen zwei und fünf Minuten, bis Sie das Bewusstsein verlieren«, sagte Petra. »Danach werden Sie sterben. Haben Sie das verstanden?«
    Mr. Peterson nickte.
    »Ich muss Sie bitten, es aufzuschreiben«, sagte Petra.
    Ich verstehe ,schrieb Mr. Peterson. Nachdem er die Seite aus seinem Notizblock gerissen hatte, schrieb er einen zweiten Zettel, diesmal für mich. Liest du mir vor? , stand darauf.
    »Ja«, sagte ich. Ich hatte schon Schlachthof 5 herbeigeholt. Ich würde anfangen zu lesen, nachdem er das Gift getrunken hatte. Er hatte mich gebeten, so lange zu lesen, bis er fest eingeschlafen war. Ich glaube, er bat mich sowohl um seinet- wie auch um meinetwillen darum. Er wusste genau, dass ich etwas brauchte, womit ich mich beschäftigen konnte, was meinen Geist ablenkte.
    Danke, Alex ,schrieb Mr. Peterson.
    »Ich liebe Sie«, sagte ich. »Ich liebe Sie, und ich werde Sie vermissen.«
    Ich weiß. Ich auch. Aber du wirst das schon schaffen.
    »Ja.«
    Pass gut auf dich auf. Sieh zu, dass du heil zu Hause ankommst. Fahr vorsichtig.
    »Ich fahre immer vorsichtig«, sagte ich.
    Mr. Peterson nickte. Es war eine kaum merkliche, leichte Kopfbewegung. Ich schätze, wir sehen uns auf der anderen Seite , schrieb
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