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Das Turnier

Das Turnier

Titel: Das Turnier
Autoren: Anu Stohner
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rangingen. Oder an wen. Aber Robert zog mich einfach mit. Und dann sah ich es auch:
    Vor uns ragten schemenhaft die Zelte aus demNebel, und links und rechts davon standen Pferde mit Reitern. Man sah sie nur wie Schattenrisse, und das allein hätte sie schon unheimlich gemacht. Aber da war noch etwas. Die Gruppen links und rechts sahen haargenau gleich aus: Erst kam ein Reiter mit Standarte und Fanfare, dann ein Ritter in voller Rüstung mit einem gewaltigen Federbusch auf dem Helm und hinter ihm ein Pulk von Reitern in Harnischen und mit Spießen, deren Spitzen in den verschleierten Himmel stachen. Gespenstisch sah das aus. Wie Spiegelgestalten aus dem Schattenreich. Und es war immer noch totenstill. Ich spürte, wie mir die Knie schlotterten. Falls ich es noch nicht erzählt habe: Mir schlottern, wenn’s gef ährlich wird, schnell mal die Knie.
    Ich packte mit einer Hand Roberts Ärmel und tastete mit der anderen nach Wuschel. Als ich erst was Wuscheliges und dann was Nasses spürte, wusste ich, dass er da war. Das Nasse war seine Zunge. Er leckte mir die Hand, das sollte heißen, dass ich ihm den Kopf kraulen sollte. Ob er von den Schattenreitern auch nichts Gutes erwartete? Wuschel hat irgendwie Antennen dafür, wenn’s brenzlig wird. Man könnte auch sagen, er hat Ahnungen. Und meistens liegt er mit denen richtig.Meine Knie schlotterten jetzt noch ein bisschen mehr. Nur Robert war so cool, als säße er zu Hause und schaute einen Gruself ilm, den man wegzappen konnte, wenn es gef ährlich wurde.
    »Da, gleich passiert was!«, flüsterte er.
    Tatsächlich richtete sich jetzt der linke Schattenreiter mit Standarte und Fanfare im Sattel auf und rief:
    »So höret, die ihr Ohren habt zu hören, dass mein Herr, der furchtlose Schwarze Ritter, gekommen ist, den Sieg im Turnier der tapferen Wackerburger zu erstreiten!«
    Ein Turnier, aha, dachte ich, darum die Zelte und die vielen Leute.
    »Das ist der Herold«, flüsterte Robert.
    »Weiß ich auch«, flüsterte ich zurück. Schließlich lesen wir die gleichen Ritterbücher. (Oder ich muss sie lesen und Robert erzählen, was drinsteht, wenn er mal wieder zu faul zum Lesen ist.)
    Aus dem Nebel um die Zelte drang jetzt aufgeregtes Gemurmel. Anscheinend kam die Ankunft des Schwarzen Ritters überraschend. Aber das Gemurmel verstummte schnell, denn jetzt richtete sich der Herold zur Rechten im Sattel auf und rief:
    »So spitzt die ungewaschenen Ohren und vernehmt,dass mein Herr, der unbesiegbare Weiße Ritter, gekommen ist, den lächerlichen Schwarzen Ritter in den elenden Wackerburger Staub zu stoßen, so wie er es dazumal zu Altluszheim am Rhein getan und wie er es immer und allzeit tun wird, wo die schwarze Kreatur ihr hässliches Haupt erhebt!«
    Diesmal erhob sich kein Gemurmel, niemand machte auch nur den kleinsten Mucks. Und mir gefror das Blut in den Adern. Wuschel leckte mir immer noch die Hand, und ich wollte ihn ja kraulen, aber ich konnte nicht. Ich war stocksteif vor Schreck. Natürlich hatte ich mir schon immer gewünscht, bei einem Ritterturnier dabei zu sein, aber doch nicht mit Schattenreitern! Ich musste mich zusammenreißen, dass ich keine Panik kriegte. Aber Robert war die Ruhe selbst.
    »Klasse Auftritt!«, flüsterte er.
    Und als hätte er’s gehört, wollte sich der erste Herold nicht lumpen lassen:
    »So höret, Männer und Frauen von Ehre, dass der ruchlose Weiße Ritter zu Altluszheim am Rhein nur siegen konnte, weil er des Nachts heimtückisch die Lanze meines Herrn, des Schwarzen Ritters ohne Fehl und Tadel …«
    »Was unterstehst du dich, lächerlicher Heroldeines schwarzen Niemand, den ein Bauer auf einem Ziegenbock besiegen …«
    »Schweig, feiger Herold eines hinterlistigen …«
    »Feige? Ich werde dir …«
    » Was wirst du …?«
    »Maulheld!«
    »Memme!«

    Die beiden brüllten, dass ihre Pferde scheuten, und dann ging alles ganz schnell: Erst preschte der Herold des Weißen Ritters los und dann der Herold des Schwarzen. Dann preschten auf beiden Seiten die geharnischten Reiter los, und ob auch der Weiße und der Schwarze Ritter lospreschten, weiß ich nicht, denn im Nu standen wir alle wieder in einer undurchdringlichen gelblich grauen Wolke.
    Ich wartete auf das Geräusch, wenn Spieße und Schwerter auf Harnische und Rüstungen treffen, aber die Geräusche kamen nicht. Dabei mussten sie kommen, schließlich waren die Weißen und die Schwarzen wie die Wilden aufeinander losgeritten. Das Donnern der Hufe hatte ich noch gehört. Oder
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