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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff
Autoren: B. Traven
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ich schon einmal gehört, und auch gerade zu einer Zeit, als ich so hübsch an einem frühen Morgen einduseln wollte.
    »Nein, ich ha-a-a-a-a-be keine, keine, keine Seemannskarte.«
    »Dann zeigen Sie Ihren Paß.«
    »Ich habe keinen Paß.«
    »Keinen Paß?«
    »Nein, keinen Paß.«
    »Auch keine Identitätskarte der hiesigen Polizeibehörde?«
    »Nein, auch keine Identitätskarte der hiesigen Polizeibehörde.«
    »Sie wissen doch, daß Sie sich hier in Holland ohne Papiere, die von unsern Behörden visiert sein müssen, nicht aufhalten dürfen?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »So? Das wissen Sie nicht? Sie haben wohl die letzten Monate und Jahre auf dem Monde gelebt?«
    Die beiden Vögel halten das für einen so guten Witz, daß sie laut auflachen.
    »Ziehen Sie sich an und kommen Sie mit!«
    Wissen möchte ich, ob man hier auch gehenkt wird, wenn man keine Seemannskarte vorzeigen kann.
    »Hat jemand von den Herren nicht vielleicht eine Zigarette?« frage ich.
    »Eine Zigarre können Sie haben, eine Zigarette habe ich nicht. Wir können unterwegs welche kaufen. Wollen Sie die Zigarre haben?«
    »Die Zigarre nehme ich lieber als die Zigarette.«
    Während ich mich ankleide und wasche, rauche ich an der Zigarre. Die beiden setzen sich hin, aber dicht an die Tür. Ich beeile mich nicht sehr. Aber wenn man auch noch so langsam macht, einmal ist man dann schließlich doch angekleidet.
    Wir zogen ab und landeten wo? Richtig geraten. In einer Polizeistation. Nun wurde ich erst wieder einmal gründlich durchsucht. Diesmal hatten sie mehr Glück, als ihre Brüder in Antwerpen gehabt hatten. Sie fanden fünfundvierzig holländische Cents in meinen Taschen. Das Frühstücksgeld. Das konnte ich ja nun sparen.
    »Was? Mehr Geld haben Sie nicht?«
    »Nein, mehr Geld habe ich nicht.«
    »Wovon haben Sie denn die ganzen Tage hier gelebt?«
    »Von dem, was ich jetzt nicht mehr habe.«
    »Da hatten Sie also Geld, als Sie hier nach Rotterdam kamen?«
    »Ja.«
    »Wieviel?«
    »Das weiß ich so genau nicht mehr. Hundert Dollar oder so, es können auch zweihundert gewesen sein.«
    »Wo hatten Sie denn das Geld her?«
    »Das Geld hatte ich einfach gespart.«
    Das war offenbar wieder ein guter Witz; denn die ganze Bande, die da im Vernehmungszimmer um mich herum versammelt war, platzte heraus vor Lachen. Aber alle paßten auf, ob der Hohepriester auch lachte. Und als der anfing, da fingen sie auch an zu lachen, und als der aufhörte, da hörten sie so plötzlich auf, als wären sie vom Schlage getroffen worden.
    »Wie sind Sie denn überhaupt nach Holland gekommen? So ganz ohne Paß. Wo sind Sie denn da durchgekommen?«
    »Ich bin halt so ’reingekommen.«
    »Wie, ’reingekommen?«
    Der Konsul hat es mir nicht geglaubt, wie ich hereingekommen bin. Die würden es mir erst recht nicht glauben. Ich kann auch diesen netten Burschen da aus Belgien nicht den Spaß verderben.
    Also da sage ich: »Mit einem Schiff bin ich gekommen.«
    »Mit welchem Schiff?«
    »Mit – mit – mit der ›George Washington‹.«
    »Wann?«
    »Das weiß ich so genau nicht mehr.«
    »So? Also mit der ›George Washington‹ sind Sie gekommen. Das ist eine recht mysteriöse ›George Washington‹. Die ist unsers Wissens nie in Rotterdam gewesen.«
    »Dafür kann ich nichts. Ich bin für das Schiff nicht verantwortlich.«
    »Sie haben also gar kein Papier, gar keinen Ausweis. Nichts. Rein gar nichts, womit Sie beweisen können, daß Sie Amerikaner sind?«
    »Nein. Aber mein Konsul…«
    Ich schien gute Witze zu machen. Wieder setzte ein Höllengelächter ein. »I-h-r Konsul.«
    Das Ihr zog er so lang, als ob es für ein halbes Jahr reichen sollte.
    »Sie haben doch keine Papiere. Was soll denn da I-h-r Konsul mit Ihnen anfangen?«
    »Er wird mir doch Papiere geben!«
    »Ihr Konsul? Der amerikanische Konsul? Ein amerikanischer Konsul? In unserm Jahrhundert nicht. Nicht ohne Papiere. Nicht ohne, daß Sie, sagen wir mal, in guten Verhältnissen leben. Nicht so einem Rumtreiber.«
    »Aber ich bin doch Amerikaner.«
    »Möglich. Aber das müssen Sie I-h-rem Konsul beweisen. Und ohne Papiere glaubt er es Ihnen nicht. Ohne Papiere glaubt er Ihnen nicht, daß Sie überhaupt geboren sind. Ich will Ihnen etwas sagen, zu Ihrer Belehrung, Beamte sind immer Bürokraten. Auch wir sind Bürokraten. Die schlimmsten Bürokraten aber sind die Bürokraten, die es erst seit gestern sind. Und die allerschlimmsten Bürokraten sind die, die den Bürokratismus von den Preußen geerbt haben.
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