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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff
Autoren: B. Traven
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Hieb versetzen wollen.
    Und mit diesem Grienen auf den Lippen sagte er: »Ihr Konsul? Das müssen Sie mir beweisen, lieber Mann, daß ich Ihr Konsul bin.«
    »Ich bin doch aber Amerikaner, und Sie sind amerikanischer Konsul.«
    Das war doch ganz richtig.
    Aber es schien nicht richtig zu sein, denn er sagte: »Amerikanischer Konsul, wenn auch augenblicklich noch nicht Erster, bin ich allerdings. Aber ob Sie Amerikaner sind, das müssen Sie mir erst beweisen. Wo haben Sie denn Ihre Papiere?«
    »Ich habe Ihnen doch bereits gesagt, die habe ich verloren.«
    »Verloren. Wie kann man seine Papiere verlieren? Die trägt man doch stets bei sich, besonders wenn man in einem fremden Lande ist. Sie können ja nicht einmal beweisen, ob Sie überhaupt auf der Tuscaloosa waren. Können Sie das beweisen?«
    »Nein.«
    »Also. Was wollen Sie da hier? Wenn Sie auch auf der Tuscaloosa waren, selbst wenn es bewiesen werden könnte, daß Sie wirklich drauf waren, so wäre das noch nicht der geringste Beweis, daß Sie Bürger sind. Auf einem amerikanischen Schiffe können auch Hottentotten arbeiten. Also, was wollen Sie hier? Wie kommen Sie überhaupt von Antwerpen ohne Papiere hierher nach Rotterdam? Das ist doch merkwürdig.«
    »Die Polizei hat mich doch – «
    »Kommen Sie mir gefälligst nicht noch mal mit einer solchen Erzählung. Wo ist denn das erhört, daß Staatsbeamte jemand auf diesem ungesetzlichen Wege über die Grenze in ein fremdes Land schicken? Ohne Papiere. Sie können mich nicht damit aufziehen, lieber Mann.«
    Und das alles sagte er grienend und ewig lächelnd; denn der amerikanische Beamte hat immer zu lächeln, selbst wenn er ein Todesurteil verkündet. Das ist seine republikanische Pflicht. Was mich aber am meisten ärgerte, war, daß er während seiner Rede immer mit dem Bleistift spielte. Bald kritzelte er damit auf der Tischplatte herum, bald kratzte er sich damit im Haar, bald trommelte er damit »My Old Kentucky Home«, und bald tippte er mit dem, Bleistift so auf den Tisch, als ob er mit jedem Tippen ein Wort festnageln wollte.
    Ich hätte ihm am liebsten das Tintenfaß ins Gesicht geworfen. Aber ich mußte Geduld üben, und so sagte ich: »Vielleicht können Sie mir wieder ein Schiff verschaffen, damit ich heimkomme. Es kann ja sein, daß ein Skipper um einen Mann zu kurz ist oder daß einer erkrankt.«
    »Ein Schiff? Ohne Papiere ein Schiff? Von mir nicht, da brauchen Sie gar nicht erst wiederzukommen.«
    »Aber wo soll ich denn Papiere herbekommen, wenn Sie mir keine geben?« fragte ich.
    »Was geht mich denn das an, wo Sie Ihre Papiere herkriegen. Ich habe sie Ihnen doch nicht abgenommen. Oder? Da könnte ja jeder Herumtreiber, der auf seine Rapiere nicht besser achtgibt, kommen und von mir Papiere verlangen.«
    »Well, Sir«, sagte ich darauf, »ich glaube, es haben auch schon andre Leute, die nicht Arbeiter sind, ihre Papiere verloren.«
    »Richtig. Aber diese Leute haben Geld.«
    »Ach so!« schrie ich laut. »Jetzt verstehe ich.«
    »Nichts verstehen Sie«, griente er, »ich meine, dann sind das Leute, die noch andre Ausweise haben, Leute, bei denen kein Zweifel zulässig ist, Leute, die ein Zuhause haben, die eine Adresse haben.«
    »Was kann ich denn dafür, daß ich keine Villa habe, kein Zuhause und keine andre Adresse als meinen Arbeitsplatz.«
    »Das geht mich nichts an. Sie haben die Papiere verloren. Sehen Sie zu, wo Sie andre herbekommen. Ich habe mich an meine Bestimmungen zu halten. Nicht meine Schuld. Haben Sie schon gegessen?«
    »Ich habe doch kein Geld, und gebettelt habe ich noch nicht.«
    »Warten Sie einen Augenblick.«
    Er stand auf und ging in ein andres Zimmer. Nach einigen Minuten kam er zurück und brachte mir eine Karte.
    »Hier haben Sie eine Verpflegungskarte für drei volle Tage im Seemannshause. Wenn sie abgelaufen ist, können Sie ruhig noch mal wiederkommen. Versuchen Sie noch mal, vielleicht bekommen Sie ein andres Schiff, von einer andern Nationalität. Manche nehmen es nicht so genau. Ich darf Ihnen keine Andeutungen machen. Sie müssen das selbst herausfinden. Ich bin hier ganz machtlos. Ich bin lediglich ein Diener des Staates, ’m sorry, old fellow, can’t help it. Goodbye and g’d luck!«
    Möglich, der Mann hat recht. Vielleicht ist er gar nicht so ein Biest. Warum sollen Menschen denn Biester sein? Ich glaube beinahe, der Staat ist das Biest. Der Staat, der den Müttern die Söhne nimmt, um sie den Götzen vorzuwerfen. Dieser Mann ist der Diener des
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