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Das Todeswrack

Das Todeswrack

Titel: Das Todeswrack
Autoren: Clive Cussler , Paul Kemprecos
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vornehmen zu können.
    Nillson lächelte. Auch das war keine Überraschung. Der Kapitän nahm immer den gleichen Kurs, zwanzig Meilen nördlich der nach Osten weisenden Fahrrinne, die nach internationaler Übereinkunft empfohlen wurde. Diese Empfehlung war nicht verbindlich, und so bevorzugte der Kapitän die nördlichere Route, denn er sparte auf diese Weise Zeit und Treibstoff.
    Skandinavische Kapitäne leisteten normalerweise keine Wachschichten auf der Brücke, sondern überließen das Schiff einem ihrer Offiziere. Nillson nahm sogleich eine Reihe von Aufgaben in Angriff. Er durchschritt die Brücke. Überprüfte das rechte Radar. Musterte kurz die Maschinentelegrafen auf jeder Seite der Brücke, um sicherzugehen, dass beide »Volle Fahrt Voraus« anzeigten. Spähte vom seitlichen Deck aufs Meer hinaus. Vergewisserte sich, dass die beiden weißen Positionslichter am Masttop brannten. Kehrte wieder ins Ruderhaus zurück.
    Kontrollierte den Kreiselkompass. Ermahnte den Steuermann zur Aufmerksamkeit.
    Durchquerte abermals die Brücke.
    Gegen neun Uhr kam der Kapitän herauf, nachdem er in seine r Kabine direkt unterhalb der Brücke das Abendessen eingenommen hatte. Er war ein wortkarger Mann Ende fünfzig, aber er sah älter aus. Sein kantiges Profil wirkte an den Rändern abgenutzt, wie ein felsiges Kliff, das von der unerbittlichen See geglättet worden war.
    Seine Körperhaltung war noch immer kerzengerade, und die Bügelfalten seiner Uniform schienen wie mit dem Lineal gezogen. Zwischen den wettergegerbten Falten seines rötlichen Gesichts funkelten wachsame eisblaue Augen. Zehn Minuten lang schritt er hinter der Brücke auf und ab, starrte auf den Ozean und sog die warme Luft ein, wie ein Hühnerhund, der die Witterung eines Fasans aufnahm. Dann ging er ins Ruderhaus und studierte die Navigationskarte, als suche er nach einem Vorzeichen.
    »Kurs auf siebenundachtzig Grad ändern«, sagte er kurz darauf.
    Nillson drehte die übergroßen Würfel in dem Anzeigekasten auf 087. Der Kapitän blieb so lange, bis der Steuermann den Kurs angepasst hatte. Dann kehrte er in seine Kabine zurück.
    Hinten im Kartenraum radierte Nillson die Neunzig-Grad-Linie aus, trug mit Bleistift den neuen Kurs des Kapitäns ein und schätzte die Position des Schiffs. Er verlängerte die Routenlinie gemäß der anliegenden Geschwindigkeit und der verstrichene n Zeit und zeichnete ein
X
ein. Der neue Kurs würde sie in ungefähr fünf Meilen Entfernung an dem Feuerschiff vorbeiführen. Nillson ging davon aus, dass starke nördliche Strömungen das Schiff bis auf zwei Meilen herandrücken würden.
    Nillson ging zu dem Radar neben der rechten Tür und schaltete die Reichweite von fünfzehn auf fünfzig Meilen um.
    Der dünne gelbe Abtaststrahl erhellte den schmalen Arm von Cape Cod und die Inseln Nantucket und Martha’s Vineyard. Bei diesem Radius waren Schiffe zu klein, um vom Radar erfasst zu werden. Nillson stellte die ursprüngliche Reichweite ein und nahm seine Kontrollgänge wieder auf.
    Ungefähr um zehn Uhr kehrte der Kapitän auf die Brücke zurück. »Ich bin in meiner Kabine und kümmere mich um den Papierkram«, verkündete er. »In zwei Stunden werde ich auf nördlichen Kurs wechseln lassen. Rufen Sie mich auf die Brücke, falls Sie das Feuerschiff vor diesem Zeitpunkt entdecken.« Er warf einen verstohlenen Blick zum Fenster hinaus, als würde er etwas spüren, das er nicht sehen konnte.
    »Oder falls es Nebel oder irgendwie schlechtes Wetter gibt.«
    Die
Stockholm
befand sich nun vierzig Meilen westlich des Feuerschiffs. Das war nah genug, um das Signal von dessen Funkbake auffangen zu können. Der Peilempfänger zeigte an, dass die S
tockholm
um mehr als zwei Meilen in nördliche Richtung vom Kurs des Kapitäns abgewichen war. Nillson folgerte, dass eine Strömung die
Stockholm
nach Norden drückte.
    Wenige Minuten später erbrachte eine weitere Peilung, dass das Schiff sich inzwischen beinahe drei Meilen nördlich der Route befand. Es bestand nach wie vor kein Anlass zur Beunruhigung; er musste die Lage lediglich genau im Auge behalten.
    Genau genommen lautete der Dauerbefehl, dass bei jeder Kursabweichung der Kapitän zu verständigen war. Nillson stellte sich die Miene des zerfurchten Seemannsgesichts vor, die kaum verhohlene Verachtung in den Augen des Kapitäns.
    Und
deshalb
haben Sie
mich
aus meiner Kabine hergerufen?
    Nillson kratzte sich nachdenklich am Kinn. Vielleicht lag es am Peilempfänger. Womöglich waren die
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