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Das Titanic-Attentat

Das Titanic-Attentat

Titel: Das Titanic-Attentat
Autoren: Gerhard Wisnewski
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gespanntes Verhältnis zur Wahrheit, wie beispielsweise der
Titanic
-Reeder Bruce Ismay.

Der Kapitän hatte ja keine Ahnung!
    Interessant daran ist aber, dass die Szene, woher auch immer sie stammen mag, nicht nur zur Bestätigung des anfangs dargestellten Untergangsszenarios dient – sondern eben auch der weiteren Entschuldigung des Kapitäns. Denn der lauscht den Worten des Chefkonstrukteurs so schockiert, als würde er zum ersten Mal etwas über die Konstruktion seines Schiffes hören. Was natürlich Unsinn ist. Denn obwohl es sich um die Jungfernfahrt handelt, ist das Schiff für ihn keineswegs neu. Zuvor befehligte er bereits ein Dreivierteljahr das Schwesterschiff
Olympic
, das dabei interessanterweise ebenfalls gerammt und leck geschlagen wurde. Die überraschten Blicke des Film-Kapitäns bei den Darlegungen des Schiffskonstrukteurs erscheinen also als eine schlechte Apologetik. Die Botschaft an das Massenpublikum lautet: »Smith hatte ja keine Ahnung!«
    »Von diesem Augenblick an ist es ganz egal, was wir tun, die
Titanic
wird untergehen«, sagt der Film-Chefkonstrukteur bei der Besprechung zu dem Kapitän und dem Reeder Ismay. Eine wichtige Botschaft: Sie konnten nichts mehr tun.
    Zwar war am Untergang der
Titanic
ab einem bestimmten Punkt vielleicht wirklich nichts mehr zu ändern. Sehr wohl aber an der Geschwindigkeit und den Folgen des Untergangs: Zum Beispiel hätte man die Lecks bekämpfen können. Oder man hätte die Rettungsboote ordnungsgemäß beladen können.
     
    Die Entlastung der eigentlich Verantwortlichen ist, wie gesagt, jedoch ein Hauptanliegen des Films. Und damit wird es immer interessanter. So wurde dem Reederei-Chef Ismay zwar früher unterstellt, Smith zur Eile angetrieben zu haben. In der Szene mit der Lagebesprechung wird Ismay jedoch von einem viel schlimmeren Verdacht reingewaschen, nämlich, die Katastrophe auf irgendeine Weise sogar bewusst herbeigeführt zu haben und über deren Ausmaß von Anfang an im Bilde gewesen zu sein.
    Vermutlich hat das etwas damit zu tun, dass die Schifffahrtsgesellschaft der
Titanic
, die White Star Line, 1995 in einem Buch beschuldigt worden war, mit dem Untergang einen Versicherungsbetrug begangen zu haben. Und tatsächlich könnte der 1997 erschienene Film
Titanic
darauf die Antwort gewesen sein. Denn genau wie jemand, der nicht die leiseste Ahnung von dem Umfang der Katastrophe hat, fragt der Film-Ismay nun energisch in die Runde: »Wann können wir weiterfahren!?« Ganz so, als habe er vom wirklichen Ausmaß des Schadens keine Ahnung.

Ein Konstrukteur bekennt sich schuldig
    Schuldig gesprochen wird Ismay nur eines menschlicheren Verbrechens, nämlich der Eitelkeit, das Schiff möglichst schnell und öffentlichkeitswirksam über den Atlantik bringen zu wollen. Wenn, dann ging es ihm nur um Publicity: »Ich vermute, Sie werden Ihre Schlagzeilen kriegen, Mr. Ismay!«, sagt der Film-Kapitän, um dieses Motiv noch einmal festzuklopfen. Dabei ist das schon wieder eine irreführende Darstellung. Denn natürlich trägt an Bord eines Schiffes allein der Kapitän die Verantwortung, und zwar auch dann, wenn Gott persönlich ihm befehlen würde, schneller zu fahren.
    Die Zielstrebigkeit und Systematik, mit der der Kapitän entlastet werden soll, erregt Verdacht. Entweder werden andere beschuldigt, oder sie nehmen die Schuld von sich aus auf sich: »Es tut mir leid, dass ich Ihnen kein stabileres Schiff gebaut habe, kleine Rose«, verabschiedet sich Film-Chefkonstrukteur Thomas Andrews auf dem sinkenden Schiff von der Hauptperson Rose. Was heißt hier »stabileres Schiff«? Hat der Konstrukteur den Eisberg gerammt oder der Kapitän? Das wäre so, als würde sich VW für einen Totalschaden an einem Auto entschuldigen, das jemand mit voller Wucht gegen einen Baum gefahren hat. Aber Rose, das Opfer, das beim Untergang der
Titanic
ihren Geliebten verlor, segnet diese Logik ab, indem sie Andrews inniglich umarmt und ihm Absolution erteilt. Die Botschaft: Sie alle sind schließlich irgendwie tragisch gescheitert: Der eine an seiner Eitelkeit, der andere an seiner Erfahrung, der Dritte vielleicht an seiner technischen Befangenheit.
    Edward John Smith: Der Kapitän, der die
Titanic
auf den Grund des Meeres fuhr. [2]
    Danach geht es in dem Film zum ersten Mal um Navigation, als der Kapitän für den Funker die Position der
Titanic
auf ein Blatt Papier schreibt (»41 46' N 50 14' W«). Ein bisschen spät, denn eigentlich hätte es in dem Film statt um
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