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Das Tibetprojekt

Titel: Das Tibetprojekt
Autoren: Tom Kahn
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Andeutungen.
    Diese Chinesin war bestimmt mehr als nur Kulturattaché. Sie war mit allen Wassern gewaschen. Er spürte Macht. Anders als sein
     Freund Decker, der in Gedanken mehr bei ihrem atemberaubenden Kleid und den darunter versteckten Reizen war.
    Reiter stieß Deckers Arm an.
Pass auf!
    Decker quittierte mit einem Gegenstoß.
    Die chinesische Agentin tat so, als hätte sie nichts von diesem pubertären Gehabe gemerkt. Sie blickte Decker mit einem provozierenden
     Lächeln an: »Ist dieses seltsame Gefährt da draußen Ihres?«
    |49| »Gefällt es Ihnen?«
    »Sie scherzen.«
    »Es ist eine Allegorie. Ein künstlerischer Ausdruck für die gebannten Kräfte des Menschen.«
    »Des männlichen Menschen.«
    »Sinnlichkeit und Kraft. Symbolisch in einer Skulptur erfasst.«
    »Ein Kunstwerk? Diese Zuhälterkarre?«
    Der Redakteur lachte und nahm amüsiert einen Schluck.
    »Ihnen entgeht das Subtile daran«, sagte Decker. Das kleine Geplänkel gefiel ihm.
    »Sie meinen den Benzingeruch?«
    »Das Archaische in versteckten Formen. Die kosmische Vereinigung zweier Prinzipien.«
    Reiter rollte mit den Augen und winkte ab. Decker hingegen starrte Li Mai wie ein hungriger Hirsch an.
    Ihr Kleid lag an gewissen Stellen hauteng an und sah aus, als trüge sie nichts darunter. Decker war überwältigt von ihr und
     seinem ungebremsten Verlangen.
    »Vereinigung? Nun mal langsam mein Lieber«, unterbrach der Journalist und sagte zu Li Mai gewandt: »Vielleicht sollte ich
     Sie vor Dr.   Decker warnen. Seine philosophischen Ausführungen haben eine gefährliche Wirkung auf schöne Frauen.«
    Und weil er die beiden nicht länger stören wollte, verabschiedete der Journalist sich mit einer leichten Verbeugung.
    Li Mai nahm es höflich lächelnd zur Kenntnis. Dann sah sie Decker tief in die Augen.
Das wird ein leichter und angenehmer Auftrag.
    »Kommen Sie.« Er nahm sie am Arm und führte sie auf die Terrasse. Ihre Gläser nahmen sie mit.
    |50| »Sie sehen also Ihr Auto als die Domestizierung von Eros und Thanatos an? Eine maschinelle Kulturleistung, sozusagen«, fragte
     Li Mai, ohne den geringsten Anhauch von Ironie.
    »Sie haben in der Talkshow gut aufgepasst.«
    »Ja.«
    Decker war überrascht. »Interessieren Sie sich für dieses Thema?«
    »Sehr sogar.«
    »Arbeiten Sie auch auf dem Gebiet?«
    »Könnte man sagen.« Ihr Blick war Decker rätselhaft, aber der Klang ihrer Stimme bezauberte ihn. »Glauben Sie wirklich, dass
     Sie mit Ihren analytischen Methoden Kulturen und Religionen besser durchleuchten können?«
    »Ich bin zutiefst davon überzeugt. So wie es eine dunkle und unbewusste Seite im einzelnen Menschen gibt, gibt es das auch
     in einer ganzen Gesellschaft.«
    »Das finde ich sehr spannend. Aber ich frage mich, ob Sie nicht zu weit gehen.«
    Decker überlegte die Antwort, lehnte sich an die steinerne Balustrade und verschränkte die Arme. Dabei rutschte der Manschettenärmel
     etwas hoch und seine Uhr kam zum Vorschein.
    Li Mai blickte wie gebannt darauf.
Was ist das denn für ein Modell? Eine Militäruhr?
Für einen Moment wurde ihr flau bei dem Gedanken an das Foto des Toten, das sie Decker bald zeigen musste.
    Decker bemerkte es und fragte »Interessieren Sie sich für Uhren?«
    »Nein. Ich war nur der Meinung, man trägt keine Uhr zum Smoking«, wich sie hastig aus.
    »Und ich war der Meinung, dass ein weiblicher Kulturattaché |51| mir auf einem Ball den Handkuss anbieten würde.«
    Touché!
Sie verfluchte ihren Fehler in der Tarnung und suchte blitzschnell nach einer Antwort, um ihn auszubügeln. »Man muss die Regeln
     kennen, um sie zu brechen, nicht wahr?«
    »Dann haben wir ja was gemeinsam«, lachte Decker. »Wir sind hier die Outlaws.«
    »Das müsste Ihnen doch gefallen«, versuchte sie den Faden wieder aufzunehmen, »in Fachkreisen gelten Sie ja schon als Abtrünniger,
     nicht wahr?«
    Er blickte sie prüfend an. »Das habe ich mir nicht ausgesucht. Die Erkenntnisse sind schon lange vorhanden. Es sind die Konzepte
     von Freud. Sie werden leider nur nicht von vielen anerkannt. Manchmal ist es, als hätte er nie gelebt. Heute ist es schick,
     über Genetik und Soziobiologie zu reden. Alles ist steril und naturwissenschaftlich. Politisch korrekt. Selbst führende Köpfe
     in Harvard halten die Psychoanalyse für überholt. Aber Besseres haben sie auch nicht zu bieten.«
    »Die Abgründe und das Verborgene der Seele. Das Verdrängte. Der Kerker.«
    »Ja. Und eben das Pendant dazu in einer ganzen Kultur. Das
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