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Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
Autoren: Marisa Brand
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SPÄTEN A BEND
    Die Nacht war mondlos. Fackeln erhellten die Kieswege zum Turnierplatz und die Great Hall von Greenwich. Eingetaucht in das Licht Hunderter Kerzen, schwatzten und lachten im Festsaal bald dreihundert Gäste. Der Lärm hallte bis hoch unter die Stichbalkendecke. Die Tische warteten mit feinstem Linnen und Goldgeschirr auf, Tafelaufsätze warfen vielfarbige Blitze. Noch standen Höflinge, Kammerherren, Diplomaten, Gesandte, Damen und Vertreter der City wartend und staunend inmitten des von langen Tischen gebildeten Karrees. Die Estrade an der Stirnseite des Saales war leer, genauso wie der Thronsessel des Königs und die Galerie der Spielleute.
    Alles war so verschwenderisch geschmückt, als sei Heinrich der Achte persönlich dem Grab entstiegen, um in der Rolle des Zeremonienmeisters eins jener Feste zu inszenieren, die seiner Regierungszeit unsterblichen Glanz verliehen hatten. Rote und weiße Rosen – die Erkennungszeichen der Tudor-Dynastie – wuchsen, zu Büschen gesteckt, in Fensternischen. Sie entlockten Jehan Scheyfve ein Niesen.
    »Darf ich Euch ein Taschentuch anbieten?«, wandte sich ein junger französischer Gesandter an ihn.
    Scheyfve wehrte lächelnd ab. »Nicht jede Mode ist es wert, nachgeahmt zu werden, mon ami.«
    »Und keine Sitte lohnt, dass man daran festhält, wenn sie überholt ist, Señor Scheyfve«, entgegnete der Franzose nicht minder freundlich. »Euer Nachfolger Renard scheint der neuen Zeit aufgeschlossener entgegenzugehen. Wie ich höre, hat er im Namen des Kaisers die bedauernswerte Maria Tudor aufgefordert, auf die Lesung der Messe in ihrem Haus endlich zu verzichten. Wie bedauerlich, dass der katholische Glauben damit auf dieser Insel nun doch keine Zukunft mehr hat und dass Euer Kaiser so kriegsmüde ist.«
    »Mein Freund, ich bin nicht mehr jung genug, um alles zu wissen. Genießt Ihr dieses Vorrecht. Ich bin nur hier, um dieses Fest zu feiern. Es könnte mein letztes sein. Zumindest in England.« Scheyfve verneigte sich und wandte sich wieder Lunetta van Berck zu, die die Gesichter um sich herum aufmerksam studierte.
    »Taschentücher!«, schnaubte er leise. »Was für ein eitler Geck! Hat sich sogar mit Rosenwasser besprüht, um Dudley zu gefallen. Diese Franzosen meinen immer noch, dass es sich lohnt, ihm zu schmeicheln. Blinde Narren! Sie haben angeboten, Jane Grey als Thronerbin anzuerkennen, wenn Dudley dafür einen Feldzug gegen den Kaiser unterstützt. Dieses Fest soll sie blenden. Wenn sie wüssten, wie leer Englands Kassen sind und was der Lord tatsächlich plant, dann ...«
    Lunetta schüttelte den Kopf. »Scheyfve, ich bin nicht hier, um mit Euch über Politik zu reden. Wo und wann treffe ich Samuel? Nur darum bin ich hier.«
    »Schscht!« Scheyfve senkte die Stimme, während er grüßend einem Venezianer zuwinkte. »Frau van Berck, zaubert ein wenig mehr Ehrfurcht und Bewunderung auf Euer Gesicht, wenn Ihr mit mir sprecht. Vergesst nicht, Ihr seid als Kauffrau hier, die mir eine hohe Summe gezahlt hat, um einem höfischen Schmaus beizuwohnen.«
    Lunetta zwang sich zu einem perlenden Lachen. »Gefalle ich Euch so besser?«, zischte sie mit heiterster Miene.
    Scheyfve schürzte anerkennend die Lippen. »Man merkt, dass Euer Vater ein Ritter von Löwenstein und Gefolgsmann des Kaisers war.«
    »Und meine Mutter die Gauklerin Mariflores Zimenes, vergesst das nicht. Sie hat die bittersten Erfahrungen mit den Masken der Niedertracht gemacht.«
    »Wie meint Ihr das?«
    Lunetta schüttelte den Kopf. »Ihr müsst nicht alles über mich wissen. Meine Vergangenheit gehört allein mir.«
    »Eine weise Entscheidung, ich respektiere sie und setze wie Ihr ganz auf die Gegenwart.« Scheyfve räusperte sich. »Wie auch immer. Ihr beherrscht die Kunst der Verstellung.«
    Lunetta versank im Knicks. »Aber Ihr seid der Meister dieses Fachs«, raunte sie, während sie sich wieder aufrichtete.
    »Zu viel der Ehre, ich tue lediglich, was mir Freude macht. Ich bin ein oberflächlicher Mensch.« Scheyfve reichte ihr galant die Hand und führte sie tiefer in eine der Fensternischen. »Diese Pantomime dürfte genügen. Man wird meinen, ich hätte ein Auge auf Euch geworfen. Ein vortrefflicher Vorwand, um nachher hastig zu verschwinden. Sobald Sidney mir ein Zeichen gibt und Dudley erscheint, bringe ich Euch zu Samuel.«
    »Ich hoffe, dass ich Euren und Sidneys Versprechungen diesmal trauen darf«, sagte Lunetta kühl. »Bisher habt Ihr die Opal-Bruderschaft auf das Schändlichste
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