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Das Tagebuch der Eleanor Druse

Das Tagebuch der Eleanor Druse

Titel: Das Tagebuch der Eleanor Druse
Autoren: Stephen King
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verwirrte und verängstigte Seelen traf das nicht zu. Solange ihnen niemand heraushalf, blieben sie im ersten Zustand nach dem Tod gefangen.
    Als ich diesen Abschnitt von Maddys Tagebuch gelesen hatte, kam es mir vor, als hätte jemand ein unter Strom stehendes Kabel an meine Wirbelsäule angeschlossen.
    Und dann kam mir die zündende Idee. Ich legte das Manuskript beiseite, schaute aus dem Fenster und sagte leise:
    »Lenny!«

 

DIE RÜCKKEHR DES BÖSEN

NOCH EIN MÄDCHEN
    AM NÄCHSTEN MORGEN SASS ICH mit meiner Zeitung am Fenster, nippte an meinem Tee und dachte darüber nach, wie ich es anstellen konnte, den armen Lenny im Kingdom Hospital zu besuchen. Ich hatte im Krankenhaus angerufen und von Schwester Brick Bannerman erfahren, dass er immer seltener bei Bewusstsein war und mir deshalb die Erlaubnis zu einem Besuch nicht mehr erteilen konnte. Das bedeutete, dass ich Dr. Louis Traff, seinen behandelnden Arzt, fragen musste, aber der würde mich bestimmt nicht zu ihm lassen. Nun war guter Rat teuer, denn Lenny konnte jeden Augenblick seine letzte Reise antreten, und in der Stunde seines Todes musste ich unbedingt bei ihm sein. Wir waren Seelenverwandte, Geliebte, auch wenn wir uns das Jawort nie mit Brief und Siegel gegeben haben. Außerdem musste ich auch wieder mit dem kleinen Mädchen in Kontakt treten, und das konnte ich nur, wenn ich mit Aufzug 2 hinauf zur Station Sonnenschein fuhr. Wie oft hatte das Mädchen jetzt schon nach mir gerufen, aber noch nicht den Mut gefunden, sein Leid in Worte zu fassen. Ich musste wissen, wie die Kleine hieß, musste wissen, wie sie gestorben war und weshalb sie im Reich zwischen Leben und Tod umherirrte, dort, wo selbst dann, wenn es hell wird, noch immer Finsternis herrscht.
    Bobby war noch nicht von der Arbeit zurück, und ich fragte mich, ob er wohl eine doppelte Schicht eingelegt hatte. Das war sehr ungewöhnlich für ihn, und irgendwie glaubte ich es auch nicht, denn er hatte sich erst im letzten Monat einen neuen Computer gekauft, und für etwas anderes würde er niemals Überstunden machen. Tatsächlich sah ich ihn eine Viertelstunde später seinen Pick-up in die Garage fahren, und als er hereinkam, bemerkte ich, dass er mitgenommener als sonst aussah.
    »Du kommst spät. Hast du noch irgendwo mit Ollie und Danny gefrühstückt?«
    »Nein, Mom. Im Kingdom war heute Nacht die Hölle los.«
    »Was ist denn passiert, Bobby?«
    »Es hat schon wieder ein Erdbeben gegeben«, sagte er.
    »Danach mussten einige Patienten verlegt und im Keller wieder klar Schiff gemacht werden.«
    »Ich habe gar kein Erdbeben gespürt«, sagte ich. »Du weißt doch, ich habe einen leichten Schlaf. Auch in der Nacht, in der Madeline gestorben ist, habe ich keines gespürt, Bobby. Wie kann das sein?«
    »Sie nennen das einen lokal begrenzten Erdbebenherd. Wenn es da bebt, spürt man es nur im Kingdom und nicht in den umliegenden Gebäuden«, sagte er. »Die Verwaltung lässt jetzt von der Uni Berkeley einen Seismologen kommen, der die Beben messen und sich Gedanken darüber machen soll, was man dagegen unternehmen kann.«
    Ich setzte mich auf und beugte mich interessiert nach vorn.
    »Wenn sie einzig und allein das Krankenhaus erschüttern, sind das doch ganz besondere Erdbeben, nicht wahr, Bobby?«, fragte ich hastig. »Und was ist noch passiert? Gab es irgendwelche medizinische Notfälle? Irgendwelche Probleme mit kleinen Mädchen vielleicht?«
    Seine Kinnlade klappte nach unten wie eine Falltür.
    »Mit wem hast du gesprochen, Mom? Hast du heute Morgen vielleicht Brick Bannerman angerufen? Hat sie dir erzählt, dass es heute Nacht bei der Operation eines Mädchens Probleme gab?«
    Ich schnellte aus dem Sessel hoch und ging zur Tür.
    »Was ist los, Mom? Was machst du?«
    »Ich gehe ins Krankenhaus, Bobby. Ich packe nur rasch ein paar Sachen.«
    »Wie bitte?«
    »Ich gehe zurück ins Krankenhaus«, wiederholte ich. »Mir geht es nicht gut. Um ehrlich zu sein, es geht mir sogar ziemlich schlecht. Mein linker Unterarm fühlt sich ganz seltsam an. Da ist so ein Kribbeln. Und stechende Schmerzen.
    Möglicherweise sind das die ersten Symptome dafür, dass ich gerade wieder einen epileptischen Anfall erleide.«
    »Du hast keine epileptischen Anfälle, Mom. Das hast du mir selbst gesagt. Du bist kerngesund. Man hat dich aus dem Krankenhaus entlassen, weil deine Gehirnaufnahmen keine Auffälligkeiten mehr gezeigt haben. Es gibt also nichts, was epileptische Anfälle bei dir auslösen könnte. Wenn du
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