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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus
Autoren: Dirk C. Fleck
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Mithilfe von heißem Wasser und hochgiftigen Chemikalien. Aber erst durch weitere chemische Prozesse wird daraus das, wonach die Welt giert: synthetisches Rohöl. Die Rückstände aus krebserregenden Kohlenwasserstoffen und Schwermetallen werden in riesige Auffangbecken geleitet. Die Erdwälle um die Becken bilden den größten Staudamm der Welt, und jeden Tag fließen vierhundert Millionen Liter Giftmüll dazu, versickern dreißig Millionen Liter dieser Giftbrühe ins Grundwasser und in den Athabasca. Siebenhundert Milliarden Dollar hat sich die Ölsandindustrie diesen Spaß bisher kosten lassen …«
    Wieder näherte sich Shark der zehn Meter hohen Wand aus beweglichen Bildern. Eins davon war gewöhnlich er selbst. Diesmal blendete die Regie ihn allerdings aus. Jetzt, da er nicht mehr überlebensgroß agierte, wirkte seine zornige Attitüde lächerlich. Die Filmbeiträge, die den Moderator unter sich zu erdrücken schienen, vermittelten Ohnmacht, und genau das war wohl auch beabsichtigt. Von Shark war nur noch seine Stimme übrig geblieben. »Das Zentrum dieser Hölle heißt Fort McMurray «, ließ sich diese Stimme vernehmen, »die ehemalige Trappersiedlung expandierte in nur dreißig Jahren zu einer Großstadt mit über vierhunderttausend Einwohnern. Nirgendwo in Kanada ist die Drogen- und Kriminalitätsrate höher als hier.«
    Die Kamera zeigte die Stadt nun aus der Vogelperspektive. Um den alten Kern hatte sich ein gigantischer, scheinbar endloser Ring von Wohncontainern gebildet. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sich unter dem Helikopter das kahl geschorene, aufgerissene Land darbot. Im Tiefflug ging es über den zugefrorenen Athabasca flussabwärts bis zum Indianerdorf Fort Chipewyan, in dem die Krebserkrankungen dramatisch zugenommen hatten. »Seit sich die Industrie am Fluss angesiedelt hat, ist die Natur aus den Fugen geraten«, klagte ein Häuptling der Cree. »Mein Sohn hat seinen Job bei der Ölfirma gekündigt, er fühlt sich mitschuldig am Tod unserer Leute.«
    Shark stützte sich auf seinen Spazierstock und blickte wirr in die Kamera: »Diese Menschen haben sich seit Jahrtausenden vom Fischfang ernährt. Inzwischen haben sie aufgehört, Fisch zu essen«, sagte er. Es klang, als müsste er jedes Wort einzeln hervorwürgen. Cording erschrak, als er die deformierten Wesen sah, die zwischen den Maschen eines Netzes im Schnee zappelten. Manche hatten faustgroße Buckel, andere starrten ihn aus überdimensionierten Augen an, ihre aberwitzig geformten Münder erinnerten an Schweineschnauzen und waren doppelt so groß wie der verschrobene Restkörper.
    »Es sind keine abstrakten Mächte, die das hier zu verantworten haben«, ließ sich Shark vernehmen, »das sind Menschen, so real wie wir. Sie haben Gesichter, Namen und Adressen wie wir. Sie haben Familien, ganz wie wir auch. Sie gehen essen und scheißen wie wir. Aber benehmen, benehmen tun sie sich nicht wie wir! Diese Herrschaften definieren alles, was sie in die Finger kriegen, als Ware, ob Mensch oder Natur. Wir haben zugelassen, dass diese Zombies unsere Werte verderben. Und immer noch starren wir wie hypnotisiert auf die Auswüchse ihres selbstzerstörerischen Systems, dessen kapitale Dummheit uns in den kollektiven Untergang führt.« Er stieß mit dem Stock einmal kräftig auf den Boden, als wollte er sämtliche Erdgeister auf einmal beschwören. »Warum rücken wir den verantwortlichen Herrschaften in den Vorstandsetagen der beteiligten Firmen nicht endlich auf die Pelle?«, schrie Shark mit zitternder Stimme. »Warum machen wir ihnen und den Politikern, die ihre Schweinereien begünstigen, nicht klar, dass sie Freiwild sind? Wir handeln aus Notwehr! Wir haben jedes Recht dazu!«
    Das Publikum in der GO!-Arena tobte. Shark sank auf die Knie und schloss die Augen, während eine Gruppe tätowierter Maorikrieger hinter ihm Aufstellung nahm. Aus dem Off ließ sich eine sanfte Frauenstimme vernehmen: »Verseuchtes Wasser, verseuchte Böden, verseuchte Luft – dies ist das Ergebnis einer Politik, für die unsere Natur nichts als ein lästiger Feind ist. Aber trotz der verheerenden Folgen schlagen die Ölmultis einen immer schnelleren Arbeitstakt an. Ihnen ist es zu verdanken, dass das dünn besiedelte Kanada inzwischen Platz drei auf der Weltrangliste der Klimasünder einnimmt.«
    Der stakkatoartige Gesang der Krieger korrespondierte mit dem Schnittmuster auf dem Videoscreen, wo sich die Bilder aus dem Tagebau mit der gewaltsamen Zerschlagung
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