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Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Titel: Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)
Autoren: Irvin D. Yalom
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israelitisches Blut in ihnen.«
    »Wie bitte?« Direktor Epstein ringt die Hände, dreht sich zu Herrn Schäfer um und fragt: »Woher kommen nur solche Ideen, Herr Schäfer? Wäre er ein Erwachsener, würde ich fragen, ob er etwas getrunken hat. Unterrichten Sie solche Sachen in Geschichte?«
    Herr Schäfer schüttelt den Kopf und wendet sich an Alfred. »Woher kommen solche Ideen? Du sagst, du liest darüber, aber bestimmt nicht in meinem Unterricht. Was liest du, Rosenberg?«
    »Ein wunderbares Buch, Herr Professor: Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts. «
    Herr Schäfer schlägt die Hand vor die Stirn und sinkt im Stuhl zusammen.
    »Was ist das?«, fragt Direktor Epstein.
    »Das Buch von Houston Stewart Chamberlain«, sagt Herr Schäfer. »Er ist Engländer und mittlerweile Wagners Schwiegersohn. Er strickt fantasievoll an der Geschichte. Das heißt, er schreibt über geschichtliche Ereignisse, die er sich eines ums andere ausdenkt.« Er wendet sich wieder an Alfred. »Wie bist du an Chamberlains Buch gekommen?«
    »Ich habe bei meinem Onkel zu Hause darin geschmökert und es mir dann im Buchladen auf der Straße gegenüber gekauft. Sie hatten es nicht vorrätig, aber sie haben es mir bestellt. Ich habe es letzten Monat gelesen.«
    »Was für eine Begeisterung! Ich wünschte nur, du hättest für deine Unterrichtstexte ebenso viel Begeisterung erkennen lassen«, sagt Herr Schäfer und weist mit dem Arm auf die Regale mit den ledergebundenen Büchern an den Wänden im Büro des Direktors. »Wenigstens für einen einzigen Text!«
    »Herr Schäfer«, fragt der Direktor, »Sie sind mit diesem Werk, diesem Chamberlain, vertraut?«
    »So sehr, wie ich mit irgendeinem Pseudohistoriker vertraut sein möchte. Er macht den französischen Rassisten Arthur de Gobineau populär, dessen Schriften zur grundsätzlichen Überlegenheit der arischen Rasse Wagner beeinflussten. Sowohl Gobineau als auch Chamberlain stellen aberwitzige Behauptungen über die arische Führerschaft in den großen griechischen und römischen Zivilisationen auf.«
    »Sie waren aber wirklich groß!«, mischt Alfred sich plötzlich ein. »Bis sie sich mit minderwertigen Rassen vermischten – mit den bösartigen Juden, den Negern, den Asiaten. Daraufhin musste jede Zivilisation verfallen.«
    Direktor Epstein wie auch Herr Schäfer sind verstört, dass ein Schüler es wagt, ihr Gespräch zu unterbrechen. Der Direktor wirft einen Blick zu Herrn Schäfer, als hätte dieser es zu verantworten. Herr Schäfer reicht den Rüffel an seinen Schüler weiter: »Ach, würde er diesen Eifer nur auch in der Klasse zeigen!« Er wendet sich an Alfred. »Wie oft habe ich dir das schon gesagt, Rosenberg? Du warst an deiner Weiterbildung immer so offensichtlich desinteressiert. Wie oft habe ich versucht, dich zur Mitarbeit an unserem Lesestoff zu bewegen? Und jetzt plötzlich stelle ich fest, dass dich tatsächlich ein Buch in Begeisterung versetzt. Wie dürfen wir das verstehen?«
    »Vielleicht liegt es daran, dass ich ein solches Buch bisher noch nie gelesen habe – ein Buch, das die Wahrheit über die Vornehmheit unserer Rasse ausspricht, das sagt, dass die Gelehrten fälschlicherweise die Geschichte für den Fortschritt der Menschheit verantwortlich machten, während es in Wahrheit doch unsere Rasse war, die in den ganzen großen Imperien die Zivilisation geschaffen hat! Nicht nur in Griechenland und Rom, sondern auch in Ägypten, Persien und sogar in Indien. Alle diese Imperien verfielen erst, als unsere Rasse von den minderwertigen Rassen ringsherum verunreinigt wurde.«
    Alfred schaut zu Direktor Epstein und sagt so respektvoll wie möglich: »Wenn ich mir erlauben darf, Herr Direktor, das ist die Antwort auf Ihre Frage von vorhin. Deshalb mache ich mir keine Sorgen um die verletzten Gefühle von ein paar wenigen jüdischen Studenten oder um die Slawen, die zwar auch minderwertig, aber nicht so organisiert sind wie die Juden.«
    Direktor Epstein und Herr Schäfer tauschen abermals Blicke aus. Endlich erkennen sie den Ernst der Lage. Dieser junge Mann ist mehr als nur einfach ein alberner oder impulsiver Jugendlicher.
    Direktor Epstein sagt: »Rosenberg, warte bitte draußen. Herr Schäfer und ich werden unter vier Augen konferieren.«

3
    AMSTERDAM, 1656
    In der Jodenbreestraat wimmelte es am Sabbat bei Einbruch der Dämmerung vor Juden. Alle hatten ein Gebetsbuch und einen kleinen Samtbeutel mit dem Gebetsschal bei sich. Alle sephardischen Juden in Amsterdam
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