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Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Titel: Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)
Autoren: Irvin D. Yalom
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Bibliothek wurde mit Tausenden anderer nicht katalogisierter Bücher in eine Salzmine nach Hungen transportiert. Bei Kriegsende wurden alle Schätze von Hungen in das amerikanische Zentraldepot nach Offenbach überführt, wo eine kleine Armee von Bibliothekaren und Historikern nach deren Besitzern forschte. Schließlich stieß Heer Graswinckel, ein holländischer Archivar, auf Spinozas Bücher und überstellte die gesamte Sammlung (bis auf nur eine Handvoll Bücher) auf der Mary Rotterdam , einem holländischen Schiff, in die Niederlande. Die Bücher erreichten Rijnsburg im März 1946 und wurden abermals im Spinoza-Museum ausgestellt, wo sie bis heute zu besichtigen sind.
    In den Monaten bis zu seinem Prozess saß Alfred Rosenberg in Einzelhaft im Gefängnis von Nürnberg und bekam nur Besuch von seinem Anwalt, einem amerikanischen Militärarzt und Psychologen, der seine Verteidigung vorbereitete. Erst am zwanzigsten November 1945, am ersten Tag des Prozesses, sah er die anderen Angeklagten wieder, als sie sich vor der Spruchkammer und den Teams von Staatsanwälten aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Russland und Frankreich versammelten. In den folgenden elf Monaten sollten sich alle Prozessbeteiligten zweihundertachtzehn Mal in demselben Raum versammeln.
    Es gab vierundzwanzig Angeklagte, aber nur zweiundzwanzig von ihnen nahmen am Prozess teil. Ein dreiundzwanzigster, Robert Ley, hatte sich zwei Wochen zuvor mit einem Handtuch in seiner Zelle erhängt, und gegen den vierundzwanzigsten, Martin Bormann, den »Alleinherrscher in Hitlers Vorzimmer«, wurde in Abwesenheit verhandelt, obwohl weithin vermutet wurde, dass er beim Sturm der Russen auf Berlin ums Leben gekommen war. Die Angeklagten nahmen auf vier Holzbänken Platz, die in zwei Reihen aufgestellt waren. Hinter ihnen stand eine Reihe bewaffneter Soldaten. Alfred war der zweite in der ersten rechten Bank. In der vorderen linken Bank saßen Göring, Hess, Joachim von Ribbentrop, der Nazi-Minister für auswärtige Angelegenheiten, und Feldmarschall Wilhelm Keitel, der Oberkommandierende der Streitkräfte. In den Monaten der Haft, die dem Prozess vorausgegangen waren, wurde Göring von seiner Drogensucht befreit, verlor fünfundzwanzig Pfund und machte nun einen schlanken und aufgeräumten Eindruck.
    Zur Rechten Alfreds saß Ernst Kaltenbrunner, der höchstrangige überlebende SS-Beamte. Zu seiner Linken saß Hans Frank, Generalgouverneur im besetzten Polen, Wilhelm Frick, Reichsprotektor von Böhmen und Mähren, und am Ende der Bank Julius Streicher, Herausgeber der Zeitung Der Stürmer . Rosenberg war vermutlich erleichtert, dass er nicht neben Streicher sitzen musste, den er als besonders widerwärtig empfand.
    In der zweiten Reihe saßen Berühmtheiten wie Admiral Dönitz, Reichspräsident nach Hitlers Selbstmord und Befehlshaber der U-Boot-Flotte, sowie Feldmarschall Alfred Jodl. Beide bewahrten während des ganzen Prozesses ihre arrogante, militärische Haltung. Daneben saßen Fritz Sauckel, der Generalbevollmächtigte für das Zwangsarbeiterprogramm der Nazis, Arthur Seyß-Inquart, der Reichskommissar für die Niederlande, und dann Albert Speer, Hitlers enger Freund und Architekt – ein Mann, den Rosenberg fast so sehr verabscheute wie Goebbels. Anschließend kamen Walther Funk, der die Reichsbank zu einem Depot für Goldzähne und andere Wertgegenstände umfunktioniert hatte, welche von den Opfern in den Konzentrationslagern stammten, sowie Baldur von Schirach, Reichs-Jugendführer der Nazis.
    Die Auswahl der wichtigsten Kriegsverbrecher hatte sich über Monate hingezogen. Es war natürlich nicht der ursprüngliche innere Zirkel, aber angesichts der Selbstmorde Hitlers, Goebbels’ und Himmlers repräsentierten diese Männer die bekanntesten Nazis. Endlich, endlich hatte Alfred Rosenberg den inneren Zirkel betreten. Getreu seinem Charakter versuchte Göring, der Stellvertreter Hitlers, mit verschwörerischem Zwinkern oder aggressiven Blicken die Kontrolle über die Gruppe zu übernehmen, und bald unterwarfen sich ihm viele der Angeklagten. Die Staatsanwälte, beunruhigt von der Aussicht darauf, Göring könnte die Aussagen der anderen Angeklagten beeinflussen, leiteten unverzüglich Maßnahmen ein, um Göring von ihnen zu trennen. Zunächst musste Göring die Mittagspause an den Verhandlungstagen allein verbringen, während die anderen Angeklagten zu dritt an einem Tisch saßen. Später setzten sie strengere Einzelhaftbedingungen für alle
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