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Das sechste Opfer (German Edition)

Das sechste Opfer (German Edition)

Titel: Das sechste Opfer (German Edition)
Autoren: Martin Johannson
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viel Butter und Schinken, so wie ich es liebte.
Dankend nahm ich es und biss hinein, um ihr zu zeigen, wie sehr ich ihre Geste schätzte.
Sie legte ihre Hand auf meinen Arm. »Ich war nur so enttäuscht, dass du nicht mitgekommen bist. Ich dachte, du hast das mit Absicht gemacht, weil du keine Lust darauf hattest, dir die Kinderbilder und Hochzeitsfotos fremder Menschen anzusehen. Du bist ja damals nicht mal zu deinem eigenen Klassentreffen gefahren.« Sie sah mich mit entschuldigender Miene an. Ich schluckte.
»Nein, es war keine Absicht. Ich habe es wirklich vergessen, es tut mir leid. Die Arbeit an dem Artikel hatte mich so fest im Griff. Ehrlich. Ich wäre gerne mitgekommen.«
»Bist du gut mit deiner Arbeit vorangekommen? Kannst du pünktlich abgeben?«
»Ja, ich denke schon.«
»Das ganze Wochenende arbeiten zu müssen und allein hier rumzuhängen, war bestimmt auch nicht gerade lustig.«
»Nein, war es nicht. Ich hab dich vermisst.«
Bei dieser Lüge wurde mir jetzt doch wieder übel, weshalb ich mich intensiv auf das Brötchen konzentrierte. Meine Zähne hatten einen tiefen Abdruck darin hinterlassen, so dass ich sogar eine fehlende Füllung wiedererkennen konnte.
Nicole legte ihre Hand auf die meine. »Du hättest dich wahrscheinlich ziemlich gelangweilt auf der Party. Klassentreffen machen eigentlich nur Spaß, wenn man die Leute kennt und sich wundert, was aus ihnen in den Jahren geworden ist. Es hat auch Spaß gemacht, obwohl du mir gefehlt hast.«
Sie lächelte verzeihend. Dann stand sie auf. »Ich muss jetzt los.«
Beim Hinausgehen gab sie mir einen Kuss auf mein zerzaustes Haar, dann zog sie sich im Flur Jacke und Schuhe an.
Ich folgte ihr und zog sie an mich. Diese Bewegung fiel mir heute viel leichter als gestern und kam auch wesentlich geschmeidiger.
»Das nächste Mal komme ich mit, ganz fest versprochen. Egal, was ist. Ich liebe dich.«
Ich küsste sie und hielt sie ein paar Herzschläge lang fest umschlungen. Schließlich machte sie sich von mir los und lachte. »Ich komm noch zu spät, Peter. Ich liebe dich auch.«
Dann öffnete sie die Wohnungstür, warf mir noch eine Kusshand zu und ging hinaus.
Als ich wieder allein in der Wohnung war, ging ich ins Badezimmer, um mich fertig zu machen. Ich musste unbedingt etwas erledigen.

Das Notizbuch
    Clara war schwer beschäftigt. Eine Großfamilie hatte sich in ihrem Geschäft ausgebreitet und untersuchte peinlich genau sämtliche Kisten und Regale und löcherte sie mit Fragen. Außerdem hatten die Eltern Mühe, ihre vier Sprösslinge im Kindergarten- bis Vorschulalter davon abzuhalten, alle Spielsachen aus den Kartons zu reißen.
Clara blieb erstaunlich gelassen. Sie besaß einen kleinen Laden mit allem möglichen Krimskrams, Geschenkartikeln und Dingen, die man normalerweise nicht brauchte. »Dies und Das« hieß er und zog trotz seiner oft weniger praktischen Dinge immer wieder zahlreiche Käufer an.
Als Clara mich sah, lächelte sie und nickte mir freundlich zu, was mein Vorhaben für den Bruchteil einer Sekunde ins Wanken brachte. Doch ich blieb stark. Ich hatte mir etwas vorgenommen, und so leicht würde ich mich nicht geschlagen geben.
Ich stand ein Weilchen in der Ecke und beobachtete, wie die Kinder sich auf die Spielsachen und den Schreibkram im linken Teil des Ladens stürzten, während sich die Eltern den Tees und Süßigkeiten, die in großen Gläsern und Schiebern lagerten, widmeten. Die Regale mit Büchern auf der rechten Seite der Theke blieben indessen unbeachtet. Ein Kind betrachtete fasziniert die Mobiles und Drachen, die von der Decke hingen, aber die waren glücklicherweise außerhalb seiner Reichweite.
Ich stellte mich in die sichere Ecke mit den Büchern und studierte ein paar Titel in der Hoffnung, dass es bald stiller werden würde. Aber die Familie tat mir den Gefallen nicht, sondern schien den Einkauf des Jahrhunderts tätigen zu wollen. Zum Glück fand ich ein Buch, das mich tatsächlich interessierte und nahm es aus dem Regal. Es war ein Krimi. Als ich gerade das Vorwort las, kitzelte ein vertrauter Duft meine Nase. Clara stand neben mir.
»Es tut mir leid, aber du siehst ja, was los ist.« Sie lächelte mich entschuldigend an.
»Macht nichts.« Ich stellte das Buch zurück ins Regal. »Ich hab Zeit.«
Statt einer Antwort strich sie mit ihrer Hand kurz über meinen Arm, bevor sie sich, ganz Geschäftsfrau, wieder den Quälgeistern widmete.
    Es dauerte noch geschlagene einundzwanzig Minuten und dreiundvierzig Sekunden, bis
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