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Das Schweigen der Toten

Das Schweigen der Toten

Titel: Das Schweigen der Toten
Autoren: Todd Ritter
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Street. Als sie ihren schwarz-weiß lackierten Crown Vic erreichte – er stand Gott sei Dank immer noch vor
Big Joe’s
 –, hörte sie, dass Deputy Carl Bauersox über Funk mit ihr Kontakt aufzunehmen versuchte.
    Carl, ihr einziger Stellvertreter, hatte Nachtschicht. Kat war normalerweise um diese Uhrzeit auf dem Revier, um ihn abzulösen, und Carl wollte wohl wissen, wann er endlich nach Hause gehen konnte.
    Kat griff nach dem Funkgerät. «Bin gleich da, Carl.»
    «Wir haben ein Problem, Chief.»
    Kat bezweifelte das. Zwei Delikte an einem Tag wären für Perry Hollow ein Rekord. Wahrscheinlich saß irgendeine Katze auf einem Baum fest, was in Carls Welt schon ein großes Problem darstellte.
    «Ein LKW -Fahrer hat angerufen und gesagt, dass am Rand der Old Mill Road eine Holzkiste steht.»
    Kat bemerkte, dass sie immer noch den Kaffeebecher in der Hand hielt, ohne etwas getrunken zu haben. Sie hob ihn an die Lippen und fragte, bevor sie den ersten Schluck nahm: «Warum bist du noch nicht hin und hast die Kiste weggeschafft?»
    «Weil es nicht einfach bloß eine Kiste ist.»
    Kat hielt inne. Schon wieder. «Nicht einfach bloß eine Kiste? Was soll das heißen?»
    «Na, dieser Mann schwört, es wäre ein Sarg.»
    Ein Sarg. Am Straßenrand. Blödsinn. Der LKW -Fahrer hatte sich geirrt. Es war bloß eine Kiste, und sie musste dafür sorgen, dass sie weggeräumt wurde, ehe es deswegen zu einem Verkehrsunfall kommen und womöglich ein echter Sarg nötig sein würde.
    «Ich sehe mir das an», sagte sie. «In der Zwischenzeit könntest du mir einen Gefallen tun und nach Jasper Fox’ Lieferwagen fahnden lassen. Er ist vergangene Nacht gestohlen worden.»
    Von der Waffe im Handschuhfach sagte sie nichts. Carl war ungefähr so verschwiegen wie ein Kleinkind. Wenn er davon wüsste, würde es innerhalb einer Stunde die ganze Stadt erfahren.
    «Wird gemacht, Chief», sagte Carl und legte auf. Widerwillig stellte Kat den Becher ab, startete den Crown Vic und fuhr in Richtung Old Mill Road.
     
    Die Kiste stand tatsächlich am Straßenrand, auf gefrorenem Schnee. Der LKW -Fahrer hatte zwar von einem Sarg gesprochen, doch als gute Polizistin weigerte Kat sich, voreilige Spekulationen anzustellen. Der Schnee reflektierte das Sonnenlicht, und sie blinzelte durch die Windschutzscheibe, um den länglichen Kasten aus unbehandeltem Holz zu mustern. Wahrscheinlich Kiefer, wenn sie einen Tipp hätte abgeben sollen, was sie jedoch nicht wollte.
    Sie stieg aus dem Auto. Ihr Atem formte flüchtige Wölkchen, die der frostige Wind davontrug. Es war viel zu kalt für März, was Kat aus verschiedenen Gründen störte. Zum einen machte sie der verlängerte Winter depressiv, zum anderen hielt er die Touristen fern, von denen die meisten Bewohner Perry Hollows abhängig waren.
    Außerdem sah Kat in der Kälte eine Warnung vor drohendem Unheil. Sie war so schneidend, so unnatürlich.
    Als sie endlich dazu kam, ihren Kaffee zu trinken, war er lauwarm. Um sich gegen die Kälte zu wappnen, blieb ihr nichts anderes als ihr Parka. Sie zog den Reißverschluss bis unters Kinn.
    Die ominöse Kiste sah tatsächlich wie ein grob gezimmerter Sarg aus. Sie war fast zwei Meter lang, neunzig Zentimeter breit und sechzig hoch, also groß genug für eine Leiche.
    Sie hockte sich vor die Kiste und suchte nach Hinweisen auf ihre Herkunft oder, besser noch, auf den Bestimmungsort, nach einer ins Holz getackerten Rechnung etwa oder einem Firmenlogo. Vergeblich. Sie fuhr mit der Hand über den Deckel und über die Seiten. Die Kiste war offenbar von einem Laien gebaut worden. Jeder Fachmann hätte dem Holz zumindest ein wenig Schliff gegeben.
    Kat beugte sich näher heran, schnupperte und nahm den Geruch harziger Kiefer wahr. Wie vermutet.
    Sie wollte glauben, die Kiste sei einfach von einem Lastwagen gefallen, doch ihr Instinkt sagte etwas anderes. Die Kanten und Oberflächen wiesen keinerlei Schäden auf. Auch auf der Straße waren keine Schleifspuren oder Holzsplitter zu sehen. Die Kiste konnte unmöglich von einem Lastwagen gefallen sein.
    Es war kein Zufall, dass sie am Straßenrand stand. Jemand hatte sie dort abgestellt und gewollt, dass sie gefunden wird.
    Nach dieser ersten Überprüfung sah Kat keinen Grund mehr, das Unvermeidliche weiter aufzuschieben. Ob Sarg oder nicht, die Kiste musste geöffnet werden. Sie versuchte, den Deckel anzuheben, und bemerkte, dass er an allen vier Ecken und an den Längsseiten an jeweils zwei Stellen vernagelt war. Sie ging
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