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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)
Autoren: Julie Klassen
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älteren Mann, dem Jagdherrn, erkennbar an seinem Samthut, unter dem ein silberner Backenbart hervorschaute. Sein faltiges, aristokratisches Gesicht war beinahe so rot wie seine Jacke.
    »Sie hat versucht, die Jagdhunde zu töten!«, beschuldigte sie ein anderer. »Der Leithund lahmt.«
    »Ich dachte, es wären Wildhunde!«, stotterte Olivia in einem schwachen Versuch, sich zu verteidigen.
    »Wildhunde?«, wiederholte der Jäger, dem ein kupferrotes Horn um den Hals hing. »Das ist nicht zu fassen. Bist du nicht ganz bei Verstand?«
    Sie wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht, um sich den Schmutz abzureiben und einen klaren Gedanken zu fassen. »Nein, ich … ich …«
    »Ich glaube ihr, Gentlemen.« Der Reiter des Rappen glitt vom Pferd und nahm ihr den Stock aus der Hand. »Sie hat sich offensichtlich bewaffnet, um Wildhunde abzuwehren.«
    »So wie die Kleine aussieht«, rief der beleibte Reiter des Rotschimmels, »würde ich sagen, sie hat eher gegen eine Dreckpfütze gekämpft – und verloren.«
    Die anderen Männer lachten. Olivia ignorierte ihren Spott und richtete ihren Blick weiterhin auf den großen jungen Mann, der vor ihr stand.
    Obwohl er nicht der Jagdherr und allem Anschein nach auch nicht älter als sie selbst war, hatte er offensichtlich eine führende Rolle inne und gab in seiner Jagduniform und den Reitstiefeln eine stattliche Figur ab.
    Sie bemühte sich, ruhige Höflichkeit in ihre Stimme zu legen, und sagte: »Das mit Ihrem Hund tut mir sehr leid. Bitte geben Sie mir jetzt freundlicherweise den Stock zurück, Sir.«
    Seine Augen glitzerten wie blaues Glas. Ohne den herrischen, ärgerlichen Zug wäre sein Gesicht attraktiv gewesen. »Ich denke nicht, dass ich das tue. Du bist viel zu gefährlich.«
    Olivia spürte, wie Wut in ihr aufstieg, während die Männer weiter über sie lachten und spotteten. Aber es war vor allem das herablassende Grinsen des jungen Mannes vor ihr, das ihre Selbstbeherrschung auf die Probe stellte. Nach der vergangenen Aufregung und aufgrund des Mangels an ausreichend Schlaf war sie ohnehin schon angeschlagen. Sie streckte ihre Hand aus. »Geben Sie mir den Stock sofort zurück.«
    Der ältere Jagdherr rief in verächtlichem Ton: »Hast du eine Ahnung, mit wem du sprichst, Mädchen ?«
    Die Augen weiterhin auf den jungen Mann vor ihr gerichtet, antwortete sie gleichmütig: »Jemand mit sehr schlechten Manieren.«
    Die anderen reagierten mit beinahe unverhohlen hervorprustendem Gelächter. Gut, dachte Olivia. Mal sehen, wie es ihm gefällt, selbst ausgelacht zu werden.
    Eine neue Gefühlsregung huschte über das Gesicht des Mannes, aber der Ausdruck wurde schnell von Verachtung überdeckt. Seine breiten Schultern zeichneten sich unter der eng anliegenden Jacke ab, als er den Stock mit einer lässigen Bewegung viele Meter weit ins Gebüsch warf.
    Olivia öffnete den Mund, um zu protestieren, doch der alte Jagdherr rief ihr mit stählerner Stimme eine Warnung zu: »Vorsicht, Mädchen. Bradley hier ist nicht nur Lord, sondern auch Friedensrichter. Du tätest gut daran, nicht seinen Zorn auf dich zu ziehen.«
    Sie richtete den Blick wieder auf den Mann mit Namen Bradley. Goldene Koteletten waren ein Hinweis auf blondes Haar unter seinem Hut. Unter dessen Krempe schauten blaue Augen hervor, die sich momentan völlig auf ein wenig Schmutz an seiner Ärmeljacke konzentrierten. Mit einem winzigen Seitenblick auf sie schnippte er ihn mit dem Finger weg, und Olivia wusste, dass sie selbst mit dieser Geste genauso achtlos abgetan war.
    »Ross!«, rief er, und ein junger Mann trottete herbei, allem Anschein nach sein Stallbursche. »Wie geht es dem Hund von Mr Linton?«
    »Es geht ihm gut, Mylord, er hat nur eine Prellung.«
    »Nimm ihn trotzdem zu dir aufs Pferd. Lintons Hundepfleger wird sicher einen Blick auf ihn werfen wollen.«
    »Jawohl, Mylord.«
    »Danke, Bradley«, sagte der Jagdherr. »Ich denke, wir müssen die Jagd für heute abblasen.«
    Der Jäger nickte und verstaute das Horn in seiner Tasche. »Der Fuchs wird auf jeden Fall inzwischen in Wiltshire sein.«
    »Vielleicht könnte sie unser Fuchs sein«, spottete der beleibte Reiter des Rotschimmels und deutete mit seiner Reitgerte auf Olivia.
    »Ein ausgezeichneter Plan«, stimmte ein anderer zu. »Es tut uns so leid, Herr Wachtmeister, wir hielten die erbärmliche Kreatur für einen Fuchs.«
    »Nein – für einen tollwütigen Hund!« Ein zweiter Mann pikste Olivia mit seiner Reitpeitsche in die Schulter, und im
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