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Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)

Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)

Titel: Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)
Autoren: F.E. Higgins
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Grabsteinen hangabwärts blickte, sah er Obadiah Strang beim Ausheben einer frischen Grube.
    Obadiah, der schon als Kind bucklig gewesen war, hatte endlich das Alter erreicht, das ein gekrümmter Rücken normalerweise vermuten lässt. Man sah dem Mann an, dass er seinen Lebensunterhalt mit dem Schaufeln von Löchern verdiente, und im Lauf der Jahre hatte sich die Form seiner Hände dem Schaufelgriff angepasst. Kleine Gegenstände aufzunehmen, bereitete ihm Probleme, doch war er schon dankbar, dass seine gekrümmten Finger noch bequem eine Flasche Bier halten konnten.
    Obadiah arbeitete eine ganze Weile weiter, bevor er merkte, dass er Besuch hatte. Schließlich stieg er mithilfe einer kleinen Leiter aus der Grube und steckte seine Schaufel mit Nachdruck in den Erdhaufen. In seinen Augenbrauen klebten gefrorene Schweißtropfen, er fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und hinterließ dabei einen dunklen Schmierer. Es war nicht einfach, im Winter ein zwei Meter tiefes Loch zu graben.
    Joe begrüßte ihn mit einem herzlichen Händedruck. »Ich habe Euch vor meinem Laden gesehen«, erklärte er.
    »Aha«, sagte Obadiah schroff. »Ihr seid der Pfandleiher. Also, ich will Euch gleich sagen, dass Ihr mit mir kein Geschäft machen werdet. Ich besitze kaum mehr als die Kleider, in denen ich hier stehe.«
    Misstrauisch sah er zu Ludlow hin, der hinter einem halb eingesunkenen Grabstein zurückgeblieben war. Dieser Junge gefiel ihm kein bisschen. Dem traute er nicht über den Weg. Überhaupt, einem Menschen, der nicht blinzelte, traute er nun mal nicht, und Ludlows Blick ging ihm schlichtweg auf die Nerven.
    »Und wer ist das?«
    »Mein Gehilfe«, erklärte Joe ruhig und zog Ludlow zu sich heran.
    Ludlow lächelte und streckte Obadiah die Hand entgegen, wenn auch zögernd. Obadiah übersah sie.
    »Gehilfe? Ihr bezahlt einen Gehilfen? Ihr Pfandleiher seid doch alle gleich. Ihr beruft euch auf eure Armut, dabei lebt ihr ganz anders.« Er griff wieder nach seiner Schaufel, doch Joe nahm ihn am Arm.
    »Wartet.«
    »Was wollt Ihr von mir?«, sagte Obadiah ungeduldig. »Ich habe zu tun.«
    Joe blickte fest in Obadiahs müde Augen. Eigentlich wollte der Totengräber Joes Blick ausweichen, aber aus irgendeinem Grund war ihm das nicht möglich. In seinen Ohren rauschte es plötzlich, sanft wie Meereswellen an einem Kiesstrand. Er spürte, wie seine Knie zitterten, und in seinen Fingerspitzen kribbelte es. Staunend sah Ludlow, wie der ruppige alte Mann sichtlich milder wurde und sich entspannte.
    »Ihr seht aus wie ein Mann, der etwas zu erzählen hat«, sagte Joe langsam. »Kommt doch heute Nacht in meinen Laden. Um Mitternacht. Niemand muss davon erfahren.«
    Obadiah brachte nur mühsam eine Antwort heraus. »Vielleicht«, sagte er. »Vielleicht auch nicht.«
    »Also, bis dahin«, erwiderte Joe, als wäre seine Einladung angenommen. Dann brach er mit einem Zwinkern den Bann, und Obadiah musste sich erst mal auf seine Schaufel stützen.

Kapitel 10

    Fragment aus den
    Erinnerungen des Ludlow Fitch
    E igentlich hatte ich gar nicht richtig verstanden, was auf dem Friedhof geschehen war. Ich wusste nur, dass man eine Art von Vereinbarung getroffen hatte, aber die näheren Einzelheiten waren mir entgangen. Als wir den Friedhof verließen, hatte ich plötzlich das Gefühl, dass wir beobachtet würden. Aus dem Augenwinkel sah ich eine Gestalt hinter einem Baum stehen, die zu uns herüberblickte. Der Kleidung nach vermutete ich in dem Mann den Pfarrer des Ortes. Ich stieß Joe an. Er hatte ihn ebenfalls gesehen und nickte grüßend in seine Richtung, woraufhin der Pfarrer tiefrot wurde, auf dem Absatz kehrtmachte und in die Kirche floh.
    Vor dem Laden standen nur noch drei Jungen herum, und die rannten davon, sobald sie Joe sahen. Er lachte, als sie die Straße hinunterschlitterten. Wir gingen durch den Ladenraum ins Hinterzimmer und setzten uns ans Feuer. Als Joe nach minutenlangem Schweigen immer noch keine Anstalten machte, sich mit mir zu unterhalten, sondern im Gegenteil eher aussahwie einer, der jeden Moment einschläft, fragte ich ihn nach meiner Aufgabe.
    »Deine Aufgabe?«, wiederholte er mit herzhaftem Gähnen. »Ich erkläre sie dir später. Für den Augenblick genügt es, dass du mich weckst, falls Kundschaft kommt.«
    Das war alles.
    Ich ging nach vorn in den Laden, stützte die Ellbogen auf die Theke und überdachte meine Situation. Der Frosch musterte mich ein, zwei Minuten lang, dann wandte er sich ab. Zwar hatte ich
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