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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus
Autoren: Georg Lentz
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graziösem Schwung und Verbeugung. »Bitte, Herr Werner«, sagte Krause.
    Wo kam Werner her? Seine Erzählung, die sich über viele Abende erstreckte, glich einem Abenteuerroman. Admiral Canaris hatte Werner nach Peenemünde geschickt, zur Überwachung von Überwachern. »Sie brauchten ein unbekanntes Gesicht«, sagte Werner. Kein unauffälliges? Werners Nase merkte man sich, wenn man ihn zwei Sekunden gesehen hatte. »Darauf kam es nicht an«, behauptete er.
    Da alles unter strengster Geheimhaltung verlief, durfte er sich nicht melden. Margot hatte ihm verziehen. Kaum eine Stunde später schwenkte sie jenen Teil, der ihr den bekannten Spitznamen eingebracht hatte, durch die Gaststube. »Durch eine Laune der Natur erhalten«, sagte Werner und klopfte seiner Freundin auf den Meseritzer Breitarsch.
    Dann, programmgemäß, unsere allergrößte Freude. Jener Mann, den wir noch erwarteten, stieg nicht aus einem Jeep, sondern aus einem uralten Chevrolet. Der Wagen erinnerte an jenen, mit dem uns Ede Kaiser vor dem Krieg kutschiert hatte.
    Wir erkannten ihn an seiner Bommelmütze. An hohe Besuche mittlerweile gewöhnt, rissen wir Sternchen Siegel bereits auf der Treppe um.
    »Mücken fliegen ließ er – Wunderkraft bewies er«, sagten die Vorortleute bald von ihm. In der Laubenkolonie richtete Sternchen eine Regenwurmzucht ein, sie verschickten später Würmer bis nach Australien. Was auch Wilfried verdankt wurde.Aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt, wanderte Wilfried nach Australien aus. Dort vertrieb er die Tausendschön-Würmer aus der Laubenkolonie.
    Im Schuppen entdeckte Sternchen sein Hanomag-Kommißbrot-Auto, Eichelkraut hatte es mit Heu und Stroh bedeckt, bevor die Russen einmarschierten, und es war der Beschlagnahme entgangen. Sternchen gab das Auto einem Monteur zum Auffrischen, dann fuhr er damit spazieren. »Bin ich jeriehrt«, sagte Sternchen.
    Wenn er sich hinter das Steuer klemmte, drehte er das Mützenschild nach hinten, wie einst.
    Ich sagte Sternchen, sein Anteil sei da, für ihn, lediglich von mir verwaltet. Er solle ihn übernehmen. »Jungchen«, sagte Sternchen, »bin ich wiederum geriehrt. Wir werden aber müssen a andere Perspektiven ins Auge fassen, wenn wer wollen überleben. Wird das Fernsehen kommen und allerlei Ungemach, auch neues Geld. Ruf die anderen. Wir werden gründen e neue Firma.«
    Es entstanden die Schützenhaus-Lichtspiele GmbH und Co. KG. Werner trat als neuer Kommanditist ein. Doch das ist fast schon eine andere Geschichte.
    Was müßte ich erzählen? Wie Lydias Freund Hannemann aus russischer Kriegsgefangenschaft heimkehrte, Lydia heiratete und nie wieder seine Mütze auf den Tisch legte? Wie jener Wachtmeister Klingbeil uns aus seinem Kino, das geschlossen wurde, Rollen über Rollen mit Stummfilmen anschleppte? Wie Berlins Cineasten unser Kino überfluteten, nachdem die Grenze gesperrt und unser Publikum »von drüben« weggeblieben war?
    Wie wir die Norne zwei Jahre lang im Rollstuhl umherschoben, weil man eine Verletzung nicht erkannt hatte, die sie sich beim Einsturz des Krankenhauses zugezogen hatte?
    Eine andere Geschichte. In jenen Tagen aber, als unsere Freunde, fast alle, zurückkehrten, sagte Horst zu mir: »Im kleinen Saal steht ein oller Sechzehn-Millimeter-Projektor. Ist es dir recht, wenn ich damit ein Kinderkino aufmache?«
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