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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus
Autoren: Georg Lentz
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insistierte Joachim. »Der Laden ist voll mit Nitro-film-Rollen.«
    Wir hielten drauf. Vaters Kleider dampften. Flaksplitter surrten. Der Himmel rötete sich von anderen Bränden. Allmählich war die Kinofassade naß, immer höher wanderte der Wasserstrahl. Schließlich züngelten nur noch am Dachfirst Flammen. Wir löschten auch sie. Rauch und Dampf stiegen in weißen Wolken auf. Im Park brannte wie eine Fackel ein Baum, den ein Phosphorkanister getroffen hatte. Wir ließen ihn brennen, waren froh über das Licht.
    Joachim drehte den Hahn ab, wobei er sich die Finger verbrannte. Der Eingang glich einer geschwärzten Höhle, das Kassenhäuschen stand als ausgebranntes Gerippe zwischen herabgestürztenTrümmern. Der Strahl von Vaters Taschenlampe beleuchtete Rauch und Dampf. Schmutziges Löschwasser tropfte auf uns herunter.
    »Der Vorführraum ist unbeschädigt«, sagte Joachim. »Ich bleibe als Brandwache hier, wegen Schwelbrand. Hansi soll den Baum löschen. Schade ums Holz.«
    Das fiel ihm ein? Brennholz gab es seit einer Stunde genügend. Mit den verschmorten Brettern der Kintoppfassade würden wir den Kachelofen wochenlang heizen können. »Vater, geh rein«, sagte ich. »Du erkältest dich in deinen nassen Klamotten.« Ich zog den Ärmel über die Hand und drehte wieder den Wasserhahn auf. Robinson und einer aus dem Splittergraben richteten das Mundstück auf den Baum.
    Der Angriff flaute ab. Ein Scheinwerferstrahl nach dem anderen fiel in sich zusammen. Vereinzelte Abschüsse und das Motorenbrummen niedrig fliegender Bomber, die Treffer abbekommen hatten. Der rosa Schein am Himmel hatte sich verstärkt. Jede Einzelheit, Hausfassaden, Dächer, Bäume, war deutlich zu erkennen. Der Schnee spiegelte die Glut der Brände wider.
    Wir hatten den Baum noch nicht gelöscht, als Lydia auf uns zulief. »Hinter dem Fenster«, rief sie, »ein Feuerschein. Das Haus brennt.«
    Ich drehte mich um. Hinter einem Fenster im oberen Stock breitete sich der gleiche rosa Schein aus, der den Himmel illuminierte. Ich drückte dem Unbekannten das Schlauchende in die Hand, spurtete zum Haus hinüber, durch die Tür, die Treppe rauf. Dicht hinter mir keuchte Joachim. »In Vaters Zimmer!« rief ich.
    Wir stießen die Tür auf. Durch den Luftzug entfacht, schlugen Flammen hoch. Vaters Bett brannte. »Zu spät zum Löschen«, rief Joachim. Das Zimmer füllte sich mit Rauch. Ich lief zum Fenster, riß es auf. Vereint schleuderten wir Bettzeug, Matratze, Bettgestell nach draußen. Durch den Rauch sah ich, wie der Unbekannte den Schlauch auf die brennenden Trümmer richtete. Bereits züngelten Flammen auf dem Fußboden. MeinVater und Robinson keuchten mit Wassereimern die Treppe hoch. Wir löschten die Dielen.
    Tante Deli, Anneli und die Kinder standen auf einmal in der Tür. Der Rauch zog ab. Verdunklung oder nicht, wir hatten das Licht angeknipst. Angesichts der Brände gewiß kein Leichtsinn. Tante Deli ging über die dampfenden Dielen bis zum Fenster. »Da flog sie hin, die Federburg von Obuloff«, sagte sie. »In diesem Augenblick beginnt ein neues Leben im Schützenhaus. Obuloff hat kein Bett mehr!«
    Graues Morgenlicht löschte den rosa Feuerschein am Himmel aus. Wir saßen um den Tisch in der Gaststube. Joachim, einem Köhler gleich mit geschwärztem Gesicht, spreizte Anneli seine Finger entgegen. Anneli wickelte sie mit Brandbinden ein. Als sie fertig war, wirkten die nun schneeweißen Finger an der durch und durch geschwärzten Gestalt meines Bruders wie Fremdkörper. Über unseren Köpfen leckte Löschwasser aus Vaters Zimmer herunter, eintönig löste sich Tropfen um Tropfen, im Abstand von einigen Sekunden. Es war dämmerig in der Stube. Durch den Luftdruck jener Minen, deren Explosionen wir im Splittergraben gehört hatten, waren die Fensterscheiben zerschmettert, einige Fenster mit den Rahmen herausgedrückt. Wir hatten aufgeräumt, die Rahmen in die Mauern gepaßt. Drei Flügel mit heilen Glasscheiben fanden wir und hängten sie nach der Hofseite hin ein. Im Ofen fauchten Flammen, wir verheizten Trümmer der Kinofassade, die, durchs Fenster sichtbar, schwarz in den Himmel aufragte. Der Schnee war wie mit schwarzem Pulver bedeckt. Dazwischen zogen sich Eisbäche, erstarrt, Löschwasser, das gefroren war. Vom Dach des Kinosaals hingen meterlange Eiszapfen. Unten im Hof stieg eine dünne Rauchsäule auf; die Reste von Oblomows Bett schwelten. Später wußten wir, daß eine Stabbrandbombe Hausdach und Zwischendecke durchschlagen
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