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Das Schneemädchen (German Edition)

Das Schneemädchen (German Edition)

Titel: Das Schneemädchen (German Edition)
Autoren: Eowyn Ivey
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tanzte, hatte Garrett immer wieder die Hand auf Fainas Rücken gelegt, wo die Federn sich dicht an die Seide schmiegten, und gewusst, dass sie von dem Schwan stammten.
    Ist dir nicht kalt?, flüsterte er, als er sich neben sie legte. Sie schüttelte den Kopf, schlang den Arm um seinen Hals und küsste ihn. Über ihnen flatterten Motten an den Dachpfetten entlang, und vereinzelt schienen ein paar Sterne im Zwielicht. Es könnte regnen, die Mücken könnten sie mörderisch plagen, hatte er Faina gewarnt, doch sie wollte unbedingt in ihrem unfertigen Blockhaus schlafen.
    Es ist unser Heim, hatte sie gesagt. Also schleppte er ihr Ehebett in das Haus, zusammen mit dem Quilt, den seine Mutter für sie beide genäht hatte, sowie den Federkissen und weichen Laken, die sie zur Hochzeit geschenkt bekommen hatten.
    Fainas Fingerspitzen strichen über seinen bloßen Arm, und sie lachte.
    Aber dir ist kalt. Du hast Gänsehaut.
    Garrett zuckte mit den Achseln.
    Macht nichts. Ich erfriere schon nicht.
    Als sie sich unter dem Sommernachtshimmel liebten, versuchte er, nicht an das Kind in ihrem Schoß zu denken und auch nicht an das heisere Keuchen und Stöhnen, das sie übers Land aussandten. Alles, woran er denken wollte, war Faina.

    In den folgenden Wochen arbeiteten Jack und Garrett unter der unermüdlichen Sonne, setzten das Dach auf das Blockhaus, zimmerten Tür und Fenster, bauten einen Ofen und Schränke ein. Faina verschwand derweil im Wald, mit dem Hund an ihrer Seite. Sie blieb Stunden fort, mitunter den ganzen Tag, und Garrett wusste nicht, was er davon halten sollte. Höflich schlug er Einladungen zum Abendessen bei Jack und Mabel aus, weil sie nicht merken sollten, wie selten Faina ihm bei den Mahlzeiten Gesellschaft leistete. Er bereitete sich sein Essen allein im Blockhaus zu, wärmte sich oft nur eine Büchse Bohnen auf dem Herd auf. Eines Nachts blieb er fast bis zum Morgen wach und wartete auf Fainas Rückkehr. Nun, da es sich nicht mehr zum Nachthimmel öffnete, war das Blockhaus düster und stickig, aber er wollte nicht wie ein ruheloses Tier draußen herumstreichen. Sie würde schon heimkommen.

    Wohin gehst du?
    Wann?
    Tag für Tag. Und nachts auch. Ich dachte, du wolltest gern hier sein, bei mir, in unserem Heim.
    Das will ich auch.
    Also?
    Doch sie blinzelte nur unter ihren hellen Wimpern hervor und tätschelte den Hund. Garrett kam der Tag an dem zugefrorenen See wieder in den Sinn, als er am liebsten fluchend gegen den Boden getreten und Widerworte gegeben hätte und ihr stattdessen nur stumm folgen konnte.
    Wir lieben uns doch, oder?
    Er wollte nicht jämmerlich klingen.
    Sie ging dorthin, wo er saß, hob sein Gesicht zu sich empor und küsste ihn heftig. In dieser Nacht blieb sie bei ihm.

    Als die Erntezeit kam, war Garrett bis spätabends auf dem Feld und wusste nicht mehr zu sagen, wo Faina gerade steckte. Nach wochenlangem Regen klarte es endlich auf, und Jack und Garrett arbeiteten mehrere Nächte durch, um das Heu einzubringen. Wie betäubt saß er bei Jack am Tisch, frühstückte Pfannkuchen mit Speck und Spiegeleiern und fragte sich, ob Faina wohl je so wie er allein im Blockhaus schlief.
    Ende September wurde es kalt. Eines Abends, als er über den Fahrweg ging, roch er Holzfeuer und sah im Näherkommen Rauch aus ihrem Schornstein aufsteigen. Und dann stand Faina in der Tür, die Hände auf ihrem angeschwollenen Leib. Der Anblick beglückte ihn über alle Maßen.
    Du bist zu Hause, sagte er.
    Du auch.
    Drinnen standen große Birkenkörbe Reihe um Reihe auf dem Boden, ein jeder bis zum Rand gefüllt.
    Was ist denn das alles?
    Ich habe auch gearbeitet, sagte sie mit einem leisen Lächeln.
    Sie ging mit ihm die Reihen ab und hielt ihm hier ein Blatt vor die Nase, dort eine Beere an die Lippen. Manches kannte er – Knolliges Tellerkraut, Blaubeeren, zarte Fichtenspitzen. Einige Pflanzen hatte er schon einmal gesehen, wusste aber ihre Namen nicht; andere, wie etwa die Pilze und Flechten, hätte er nicht zu essen gewagt, wenn er im Wald auf sie gestoßen wäre. Doch er vertraute ihr und trug ihre Körbe in den geräumigen Speicher, den er aus Baumstämmen gezimmert hatte.
    Noch immer zog sie mit ihrem Segeltuchbündel oder ihren Birkenkörben in den Wald. Mittlerweile trug sie einen langen Wollrock und eine weitgeschnittene Bluse, die Mabel für sie genäht hatte, und stemmte gegen die Last ihres wachsenden Bauches die Hand ins Kreuz. Sie brachte Äschen und Lachse, Schneehühner und Kaninchen mit
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