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Das Schloss von Otranto

Titel: Das Schloss von Otranto
Autoren: Horace Walpole
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dem zu verzeihen, der sich nie eines Verbrechens schuldig gemacht hatte. Manfred war kein wilder Tyrann, der sich an ungereizter Grausamkeit ergötzt. Nur hatte die Lage seines Schicksals, die natürliche Milde seiner Stimmung rauh gemacht. Seine Tugenden waren immer bereit zu wirken, wenn Leidenschaften seine Vernunft nicht verfinsterten. In dem sich der Fürst in dieser Unentschlossenheit befand, hallte ein verwirrtes Geräusch von Stimmen durch entfernte Gewölbe. Wie sich das Getöse näherte, unterschied er den Ruf einiger Diener, die er durch die Burg zerstreut hatte, Isabellen zu suchen. Wo ist unser gnädiger Herr? Wo ist der Fürst? Hier bin ich, sagte Manfred, als sie in der Nachbarschaft waren; habt ihr die Prinzessin gefunden? O gnädiger Herr! erwiederte der erste der ankam, ich bin froh Ihre Hoheit zu finden. Mich zu finden! sagte Manfred, habt ihr die Prinzessin gefunden? Das glaubten wir, gnädiger Herr! antwortete der Mensch, der ganz erschrocken aussah, aber – Aber was? rief der Fürst; ist sie entflohen? Jago und ich, gnädiger Herr – Ja, Diego und ich, unterbrach ihn der andere, der noch viel verstörter hinzutrat – Sprecht nur einer auf einmal, gebot Manfred; ich frage euch, wo ist die Prinzessin? Das wissen wir nicht, antworteten beyde zugleich; vor Schrecken haben wir fast den Verstand verlohren – Das kann euch nicht schwer fallen, erwiederte Manfred; aber was hat euch jetzt verwildert? O gnädiger Herr, sprach Diego, Jago hat eine solche Erscheinung gesehn! Ihre Hoheit werden unsern Augen nicht trauen – Welch ein neues Mährchen? rief Manfred, gebt mir grade Antwort, oder, beym Himmel! – Wenn Ihre Hoheit geruhen wollen mich anzuhören, versetzte der arme Mensch, Jago und ich – Diego und ich sagte sein Kamerad – Verbot ich euch nicht, fiel Manfred ein, beyde zugleich zu reden? Antworte, Diego, denn der andere Narr scheint noch weniger von seinen Sinnen zu wissen, als du; was giebts? Gnädiger Herr, sagte Diego, wenn Ihre Hoheit geruhen wollten mich anzuhören; Jago und ich giengen umher, wie Ihre Hoheit befohlen hatten, das Fräulein zu suchen; aus Besorgniß aber daß wir dem Geist unsers jungen gnädigen Herrn begegnen mögten, Gott hab' ihn selig! der kein christlich Begräbniß erhalten hat – Tropf! rief Manfred wütend. Hast du weiter nichts gesehen als einen Geist? Ach, etwas viel schlimmeres, viel schlimmeres, gnädiger Herr! rief Jago, ich möchte lieber zehn Geister in Leib und Leben sehn – Gieb mir Geduld! sagte Manfred, die Pinsel bringen mich um meinen Verstand: mir aus dem Gesicht, Jago! und du Diego, sag' mir mit einem Wort, bist du besoffen? bist du toll? du pflegtest sonst einigen Verstand zu haben: hat sich jener Gimpel schrecken lassen, und dich mit erschreckt? sprich: was bildet er sich ein, gesehen zu haben? Gnädiger Herr, erwiederte Diego zitternd, ich wollte Ihrer Hoheit nur sagen, daß seit dem jämmerlichen Unfall des jungen gnädigen Herrn, Gott wolle ihm sein ewig Freudenreich verleihen! keiner von uns, Ihrer Hoheit treuen Dienern, das sind wir wahrhaftig, gnädiger Herr, obschon arme Leute, keiner von uns, sag' ich, es wagt in der Burg einen Fuß von der Stelle zu setzen, außer zween und zween: so gingen denn auch Diego und ich in die große Gallerie, weil wir glaubten, das Fräulein könnte da seyn, um ihr zu sagen, daß Ihre Hoheit etwas mit ihr zu sprechen hätten – Dummköpfe und kein Ende! rief Manfred: und so hat sie Zeit gehabt zu entkommen, weil euch vor Poltergeistern bange war! Wustest du nicht, Schurke, daß ich euch in der Gallerie verließ? Daß ich selbst dorther kam? Darum weiß ich doch nicht, ob sie drinnen ist oder nicht, sagte Diego; aber der Teufel soll mich holen, wenn ich sie wieder dort suche. Der arme Jago wird es in seinem Leben nicht verwinden! Was verwinden? fragte Manfred. Soll ich nie erfahren, was euch Lumpen so erschreckt hat? ich verliere nur Zeit. Folge mir Sclave, ich weiß schon was in der Gallerie vorgeht; – Um Gottes willen! lieber gnädiger Herr! rief Diego, gehen Ihre Hoheit nicht den langen Gang hinunter. In den Zimmern am Ende des Ganges haust, denk' ich, der leidige Satan. – Bisher hatte Manfred den Schreck seiner Bedienten als eine eitle Furcht behandelt, dieser neue Umstand fiel ihm auf. Er erinnerte sich der Erscheinung des Bildnisses, und daß die Thür am Ende des Ganges vor ihm zugemacht worden. Seine Zunge stammelte, und unruhig fragt' er: was ist in dem großen Zimmer? Gnädiger Herr,
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