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Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Titel: Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten
Autoren: Wilhelm Teufel
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Hause
stammte und bei uns Freude an Reinlichkeit und Ordnung lernte. Als wir sie für
etliche Tage nach Hause beurlaubten, gefiel es dem Kinde daheim nicht mehr, es
wurde ihm in dem dort herrschenden Schmutz geradezu übel. Schließlich nahm es
einen Kehrbesen zur Hand und zeigte Mutter und Geschwistern, wie man reinigen
und lüften müsse und was alles zu tun sei, um sich gesund zu erhalten.
    Eines sah ich jedoch bald: die
erbliche Belastung wog schwerer als alles andere. Es gab Eltern, die selber
geistig beschränkt waren, oder es gab ganze Dörfer, deren Bewohner ineinander
geheiratet hatten, und wenn die Eltern blutsverwandt waren, wirkte sich das an
den Kindern aus...
    Ich habe freilich auch
erfahren, wie unwissend wir Menschen sind und daß wir oft genug vor Rätseln
stehen, die wir nicht lösen können. Es kamen auch brave und wohlanständige
Menschen zu mir, die mit Tränen in den Augen ihre Kinder brachten, ohne daß sie
oder irgendwer hätten sagen können, was der Grund des Unglücks sei, das sie
betroffen hatte.
     
    Nur zu bald zeigte sich, daß
unser Schloß in Riet für eine solche Anstalt zu klein war. Nach zweijährigem
Bestehen beherbergte sie 37 Kinder und war damit voll belegt. Schon mußten wir
Aufnahmegesuche ablehnen. Außerdem wurde es dringend notwendig, die
bildungsfähigen Kinder von den ganz schwachen, nur pflegebedürftigen, zu
trennen und die verschiedenen Gruppen in besonderen Abteilungen unterzubringen.
Dazu fehlte es aber bei uns an Arbeitsräumen, an Bade- und Krankenzimmern.
Vielleicht hätte man durch Umbauen Raum schaffen können, aber dazu hätten wir
jahrelang bauen müssen, und das Pachtgeld sollte uns dann von 300 auf 500
Gulden erhöht werden.
    Zuerst dachten wir daran, in
Riet selber zu bauen. Aber im Sommer 1851 wurde uns das Schwefelbad in Winterbach im Remstal zum Kauf angeboten — um 7600 Gulden! Ein Drittel davon sollte
bis Martini aufgebracht werden, für bauliche Veränderungen mußten wir mit 3000
bis 4000 Gulden rechnen. Wir hatten aber in Riet selber noch eine Schuld von
1400 Gulden zu bezahlen. Unser ganzes Vermögen bestand aus 34 armen
schwachsinnigen Kindern, deren Umzug von Riet nach Winterbach wiederum etliche
hundert Gulden verschlingen würde. Da war guter Rat teuer, und wir klagten uns
gegenseitig halb im Scherz, halb im Ernst des Leichtsinns und der Vermessenheit
an. Wir konnten noch so viel hin und her rechnen, wir brachten das Geld nicht
zusammen.
    Wir hätten diese Probezeit
schwerlich überstanden, wenn wir nicht auf den vertraut hätten, der uns schon
so oft in wunderbarer Weise und manchmal in letzter Minute geholfen hatte. Es
war, als hätten überall schon die Liebesgaben bereit gelegen und nur auf einen
höheren Befehl gewartet, uns in Eile zu Hilfe zu kommen. Es regnete förmlich
Gulden ins Haus...
    Am 3. November 1851 konnte der
Umzug fröhlich vor sich gehen. Es war ein gewaltiger Zug, und wir hatten Sorge
um unsere vielen schwächlichen und unbeholfenen Kinder, aber der Herr gab Gnade
zu unserer Reise, und ohne jeden Unfall kamen wir samt und sonders wohlbehalten
in Winterbach an.
    Die Gemeinde mit ihrem
Schultheiß an der Spitze nahm uns freundlich auf, und als ich über der Tür zur
neuen Heimat die Worte geschrieben fand: »Der Vogel hat sein Haus gefunden und
die Schwalbe ihr Nest, da sie Junge hecken« — , da kamen mir die Tränen.
    Winterbach liegt im Herzen von
Württemberg, im freundlichen Remstal, zwischen dem Welzheimer Wald und dem
Schurwald, da, wo das Tal am schönsten und breitesten ist, mit seinen
Obstgärten und Rebenhügeln, seinen fruchtbaren Äckern und blühenden Wiesen...
    Unser Anstaltsgebäude war noch
nicht lange erbaut und lag außerhalb des Ortes, nach allen Seiten frei, gesund
und mit einem malerischen Blick hinüber nach Schorndorf. Eine Schwefelquelle
befand sich in unserer Anstalt, derentwegen der frühere Besitzer des Hauses
schöne Badeeinrichtungen und Gartenanlagen hatte machen lassen.
    Jetzt konnten wir uns ausdehnen
und zweckentsprechend einrichten. Die Heilanstalt wurde von der Pflegeanstalt
getrennt. Es gab genügend Räume für die Kinder: Aufenthalts-, Arbeits-,
Krankenzimmer, Schlafsäle und Unterrichtsräume; Wohnungen für den Vorstand, die
Hausmutter und ihre Familie, für die Lehrer usw. Vor allem aber hatten wir
einen Tummel- und Turnplatz im Freien für die Kinder, ja sogar eine Kegelbahn
war da.
     
    Von jetzt an arbeitete ich mit
einem Mann zusammen, den mir Gott selber auf meinen Lebensweg
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