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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert
Autoren: Sergej Lukianenko
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zum Barkeeper hinter den Tresen gestellt, um nicht auf ihn aufpassen zu müssen. Mehrmals ging ich auf die Toilette, damit sich der gestrige Schlamassel später nicht wiederholen konnte. Obwohl das auf dem Raumschiff sicherlich geregelt ist.
    Den letzten Cocktail trank ich hastig, immer mit Blick auf die Uhr. Dann verabschiedete ich mich vom Barkeeper und ging ins Foyer.
    Die ganze Mannschaft war schon versammelt. Der Kapitän, der Älteste, der Arzt und noch zwei, die ich nicht kannte – sicher Navigator und Lademeister.
    »Du kommst zu spät, Modul«, bemerkte der Arzt eisig. Er hielt sein Versprechen – für ihn war ich schon kein braver Junge mehr.
    »Entschuldigung, das kommt nicht wieder vor«, murmelte ich und umfasste krampfhaft den Griff meines Koffers. Der Älteste nahm mir schweigend den Koffer aus der Hand, prüfte das Gewicht und gab ihn mir zurück.
    »Gehen wir«, sagte der Kapitän. Alle drehten sich um und gingen zur Schleuse, bei der schon ein Kleinbus wartete.
    Niemand beachtete mich. Die Türen des Busses gingen zu, kaum dass ich meinen Fuß auf die Stufen gesetzt hatte.
    Der Älteste und der Arzt saßen zusammen, Lagermeister und Navigator ebenfalls. Neben dem Kapitän war ein freier Platz, aber auf diesen legte er sehr sorgfältig seine Mütze.
    Ich ging nach hinten und setzte mich in eine freie Reihe.
    Der Kapitän nahm seine Mütze und setzte sie auf.
    Der Bus folgte den orangen Markierungen. Die Kljasma war ein Gütertransporter der Standardklasse, wie sie bei uns ständig verkehrten. Der keramische Körper war zweihundert Meter lang und erinnerte an ein übermäßig in die Länge gezogenes Ei. Zur Landung hatte es Stützen ausgefahren, die im Vergleich zum Raumschiff fast unsichtbar schienen, so winzig waren sie. Es hatte den Anschein, als ob die Kljasma direkt auf dem Sand, der im Laufe der Jahre zu einer Steinkruste zusammengebacken war, auflag.
    Die Ladeluke war bereits geschlossen, aber in der Ferne schwebte noch die Staubwolke der Schwerlasttransporter, die das angereicherte Erz zum Raumschiff gebracht hatten.
    »Der letzte Flug in dieses Schlangennest«, sagte der Älteste, »Gott sei Dank!«
    »Aber was für eine Menge Geld«, wandte leise derjenige ein, den ich für den Navigator hielt. Ein betagter dicker Schwarzer mit gutmütigem Gesicht.
    »Richtig, der Verdienst ist gut«, stimmte der Arzt zu, »außerdem haben wir ein gutes Modul eingestellt.«
    »Das müssen wir noch überprüfen«, widersprach der Älteste säuerlich.
    »Ein gutes, ein gutes«, wiederholte der Arzt, »oder denkst du, dass ich das Testen verlernt hätte?«
    Beide sprachen über mich, als ob ich ein Einkauf wäre, der auf dem Rücksitz lag. Ich biss die Zähne zusammen und schwieg eisern. Das ist bestimmt ein Test. Um festzustellen, ob ich ernsthaft mit ihnen arbeiten will oder anfange zu jammern und mich zu beklagen, dachte ich.
    Der Bus fuhr an die Schleuse heran, ein durchsichtiges Rohr, das sich von oben herabneigte. Zu sechst pressten wir uns mit Mühe in den kleinen Fahrstuhl. Ich wurde gegen den Kapitän gequetscht.
    »Entschuldigung, Kapitän«, sagte ich.
    Er schwieg. Der Älteste tippte auf meine Schulter und belehrte mich eisig: »Gestatten Sie eine Äußerung, Kapitän...«
    »Gestatten Sie eine Äußerung, Kapitän«, wiederholte ich.
    »Ich gestatte.«
    »Wo sind denn die anderen Mitglieder des Rechenzentrums? Sind sie früher zurückgekommen?«
    Mir wurde auf einmal ganz seltsam zumute. Ich dachte, dass sie überhaupt keine anderen Module hätten und deshalb mein Gehirn ununterbrochen arbeiten müsste.
    »Sie haben das Raumschiff nicht verlassen«, antwortete der Kapitän.
    Ich stellte keine weiteren Fragen.
    Aus der Schleusenkammer heraus verteilten sich sofort alle entsprechend ihren Aufgaben. Die Schleusenkammer selbst war ziemlich groß, mit Raumanzügen in verglasten Nischen und einer in den Boden eingelassenen Flugkapsel.
    Der Kapitän sagte, ohne jemanden konkret anzusprechen: »Start in fünfzig Minuten, Onlineregime für alle in vierzig Minuten.«
    Ich stand da, sperrte den Mund auf und verstand nur Bahnhof.
    Und wohin musste ich?
    Die Finger des Arztes bohrten sich in meine Schulter. »Komm mit!«
    Wir nahmen den Fahrstuhl nach oben und gingen durch einen Flur. Der Arzt schwieg, er wirkte ernst und konzentriert.
    »Verzeihen Sie, aber was muss ich jetzt machen?«, begann ich.
    »Für deine Arbeit musst du überhaupt nichts wissen«, unterbrach mich der Arzt, »du bist ein ›Gehirn in
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