Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul
Autoren: Jörg Fauser
Vom Netzwerk:
Harald zusammen, und da … nun, er behauptete, Harald habe ihn dazu gezwungen.«
    »Wozu?«
    »Er hat ihn betrunken gemacht, und dann haben sie gemeinsam ein Mädchen vergewaltigt.«
    »War da Miriam schon auf dem Markt?«
    »Was heißt das?«
    »Sie haben Ihre Tochter von Anfang an als eine Art Kapitalanlage betrachtet, oder hab ich das falsch verstanden? Tante Cäcilie sprach sogar davon, daß Sie sie wahrscheinlich als Verlustgeschäft abgeschrieben hätten.«
    »Ich liebe meine Tochter, Harder.«
    »Aber zumindest als Waffe wollten Sie sie doch benutzen.«
    »Eine Frau in meiner Situation ist auf jede Waffe angewiesen.«
    Ich nahm einen Schluck von meinem Eiswasser. »Paul wußte also, daß Myslisch der Vater Miriams war?«
    »Ja, und er war damit einverstanden. Er konnte nämlich keine Kinder haben. Und ich hätte auch keins von ihm gewollt. Er hatte schon damals keine Zukunft mehr. Sogar in die falsche Partei ist er gegangen.«
    »Und wie war das dann mit Myslisch? Weiß Miriam, daß er ihr Vater ist?«
    »Natürlich nicht.«
    »Aber als sie alt genug war, wurde sie auf Besuch nach Kladow geschickt. Und da durfte er sich dann an ihr delektieren, rein platonisch, versteht sich, der gute Onkel Harald. Der Mann im schwarzen Anzug, ein ganz großer Mann ist das, Miriam, er fährt mit dem Dienstwagen vor und soll bald Senator werden, und das Verdienstkreuz bekommt er auch, Onkel Harald, immer größer wird er, immer bedeutender, immer länger fällt sein Schatten. Und wenn sie auch Angst vor ihm hatte, sie mußte immer wieder hin. Nur ja nicht die Verbindung abreißen lassen. Onkel Harald macht uns noch alle reich. War es so, Nora?«
    »So war es überhaupt nicht«, flüsterte sie. »Es geht nicht um Geld, Harder.«
    Ich brauchte frische Luft und stand auf und öffnete eine Schiebetür und atmete gierig die kalte Novemberluft ein, die nach feuchten Blättern roch. Hier und da war schon Licht in den Häusern, und über dem Tal hellte sich der Horizont. Vögel unterhielten sich. Ich ließ die Tür einen Spalt offen und wandte mich dann wieder der Blondine auf dem Récamiere zu. Kühle Blondinen hatten es Malzan angetan. Kühle Blondinen, die den heißen Tod loslassen konnten. Den Schlangentod. Malzan im Todeskampf in der brennenden Baracke – und dann diese Frau auf dem Récamiere im Bungalow am Deister. Wenn es so überhaupt nicht war, wie dann?
    »Wissen Sie, was Malzans letztes Wort war?«
    »Wenn Sie es mir gesagt haben, gehen Sie dann?«
    »Ich fragte ihn, wer der Killer des Mädchens wäre – Sie erinnern sich vielleicht noch, dieses Thai-Mädchen, das Myslisch manchmal zu Diensten war –, und er sagte: ›Nora‹. Ist das nicht sonderbar?«
    »Ich war seit zwölf Jahren nicht mehr in Berlin, Harder. Was versuchen Sie denn jetzt für einen Trick?«
    »Ich nehme an, er meinte, daß Sie deshalb die Schuld tragen, weil Sie ihn auf Myslisch angesetzt haben.«
    Sie lächelte und drehte an dem Ring. »Wenn Sie Michael gekannt hätten, dann wüßten Sie, daß er ein Mann war, dem eine Frau niemals die Richtung zu zeigen brauchte.«
    »Ich habe ihn gekannt, Nora. Wir haben uns einen ganzen Abend und eine halbe Nacht unterhalten. Malzan war einer wie ich, ein Söldner, einer, der anheuerte, und dann marschierte er durch den Dschungel. Nur daß er bei etwas angeheuert hatte, das er Liebe nannte, und ich bei etwas, das ich Wahrheit nenne. Und da gerieten wir dann auf ein Kampfgebiet, wo nur einer überleben konnte.«
    »So wie jetzt«, sagte Nora Schäfer-Scheunemann und griff zu ihrem Kimono und richtete den Colt auf mich, den sie bei unserer letzten Begegnung zu laden vergessen hatte.
    Ich lachte. Ich hatte nicht geglaubt, so bald nach dieser Nacht wieder lachen zu können, aber ich lachte, und je länger ich lachte, desto besser gefiel es mir zu lachen. Sogar der verstörte Hund hob den Wuschelkopf und fing an mitzulachen, nur daß sein Lachen noch viel lauter war – so laut, daß die ganze Herde wußte, wo es langging.
    »Sie sind wirklich eine Nummer«, sagte ich, als ich genug gelacht hatte. »Nach alldem, was ich in Ihrem Auftrag mitgemacht habe, bringen Sie noch den Mut auf, einen Colt auf mich zu richten. Na los doch, Nora, schießen Sie doch. Aber vergewissern Sie sich vorher, ob das Ding auch geladen ist.«
    »Sie haben Michael umgebracht«, flüsterte sie. »Er war der einzige, der wußte, worum es ging.«
    »Söldner bringen sich immer nur selbst um. Kein Mensch zwingt uns, in den Dschungel zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher