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Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)

Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)

Titel: Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
Autoren: Stefan Balzter
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bei seinem kleinen Ausflug keinen Spaß hatte, hätte ich Ihnen auch noch diagnostizieren können, Frau Doktor.“
    „In diesem Fall meinen wir mit Exkursion keinen Ausflug, sondern die Bewegung des Thorax. Ohne Exkursion keine Inspiration.“
    „Er soll ja auch keine Gedichte schreiben, sondern eine Aussage zu Protokoll geben.“
    „Inspiration“, versetzte sie mit mühsam beherrschter Ungeduld, „bedeutet so viel wie Einatmung, Herr Kommissar. Ich habe übrigens inzwischen einige Informationen zu der Wunde im Schulter-Hals-Bereich, wenn Sie das interessiert.“
    „Der Erfolgreichste im Leben ist der, der am besten informiert wird, sagt Benjamin Disraeli. Im Übrigen bin ich Hauptkommissar.“
    „Na schön, Herr Haupt kommissar. Wir wissen jetzt definitiv – oder so definitiv, wie man solche Dinge eben feststellen kann – dass die Verletzungen weder durch einen menschlichen Biss noch durch ein Messer oder eine ähnliche Waffe verursacht wurden. Die Wunde ist kein Schnitt, wie es etwa bei einer Klinge der Fall wäre, und für eine menschliche Bisswunde viel zu desaströs. Die Wundränder waren so ausgefranst, dass wir noch nicht einmal sinnvoll nähen konnten; wir haben lediglich die zerfetzten Hautschichten sortiert und Antiseptika aufgetragen, nun müssen wir die sekundäre Wundheilung abwarten. Das war irgendein Raubtier, wenn Sie mich fragen. Annähernd menschengroß wahrscheinlich, aber da müssten Sie nochmal einen Biologen fragen. Oder einen Veterinär.“
    Hauptkommissar Ritterbusch warf einen triumphierenden Blick in Richtung des jungen Wachpolizisten. „Das Wissen hat bittere Wurzeln, Schüssler, aber seine Früchte sind süß. Wie Cato der Ältere sagt. Akzeptieren Sie also, was nicht zu ändern ist. Ich gebe derweil die Suchmeldung nach dem mutmaßlichen Bären raus. Frau Doktor, Sie rufen mich bitte an, wenn der Patient bei Bewusstsein ist. Sie wissen ja, eine Änderung des Bewusstseins verändert unbewusst auch das Sein, sagt Uhlenbruck. Habe die Ehre.“
    Er drückte der Ärztin seine Karte in die Hand und verließ mit selbstbewussten Schritten den Aufenthaltsraum.
    Schüssler wandte sich schüchtern an die weißgekleidete Dame neben ihm.
    „Aber er wird doch durchkommen, Frau Doktor?“
    Sie sah ihm lange in die Augen, ohne etwas zu sagen.
    Dann erwiderte sie: „Das haben Sie gesagt, nicht ich.“

4. Kapitel
     
    „Und wie war’s heute in der Schule, Lea?“
    „Geht so.“
    Valeska sah ihre Tochter mitfühlend an. „Ja“, sagte sie mit einem mütterlichen Seufzen, „es ist nicht immer einfach. Ich hatte es in der Schule auch immer sehr schwer gehabt. Sie haben mich gehänselt, weil ich so eine dicke Brille tragen musste. Deshalb habe ich auch in meiner Zeit als Lehrerin immer darauf geachtet, dass die Kinder sich nicht gegenseitig hänseln.“
    Lea stocherte ein wenig in ihrem Eintopf herum. Wurst. Na ja.
    „Wann kommt Pa heute runter?“
    „Ich weiß es nicht. Er hat irgendeinen neuen Auftrag an der Angel, kann sein, dass es später wird.“
    „Was für einen Auftrag?“ Es interessierte Lea nicht wirklich. Aufträge, Aufträge, Aufträge. Seit sich ihr Vater selbständig gemacht hatte, waren Aufträge der Dreh- und Angelpunkt von allem. Sie bedeuteten ihrer aller täglich Brot, aber Lea fand, dass dieses Brot einen sehr bitteren Geschmack hatte.
    Es ging nicht einmal nur um die Zeit, die Hans Leonardt durch den Beruf von ihr getrennt war. Es ging darum, dass es für Lea immer schwieriger wurde, selbst in den seltenen Momenten seiner Gegenwart mit ihm Kontakt aufzunehmen. Er war da, und er war nicht da.
    Nicht, dass er sich nicht bemühte. Er wollte ja. Aber mit ein paar Minuten am Tag ließ sich eben kein solches Verhältnis aufrechterhalten, wie sie es einmal gehabt hatten, als sie noch klein gewesen war und ihr Vater ihr Held, ihr Superman, zu dem sie aufsah und dem sie schlechterdings alles zutraute, er hätte Eisenrohre biegen oder Schumi zu Fuß überholen können, es hätte sie nicht mal überrascht.
    Aber das war lange her. Der Held war müde geworden, geistesabwesend, unkonzentriert, er vergaß, was Lea ihm vorige Woche erzählt hatte, und wenn er es doch behielt, verstand er es nicht. Verstand er sie nicht. Er war so weit weg, so furchtbar weit weg, und das tat so weh, dass sie ihn jedes Mal ins Gesicht schlagen wollte, wenn sie ihn sah. Immer und immer wieder. Zack. Getroffen. Rums. Getroffen. Bäng. Versenkt.
    „... getroffen.“
    „Was?“ Lea erschrak. Eine
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