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Das Reich in der Tiefe

Das Reich in der Tiefe

Titel: Das Reich in der Tiefe
Autoren: Richard Koch
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als der flüchtige Einfall, einmal einen weißen Fleck der Landkarte zu durchstreifen.
    Zuerst führte sein Weg durch sandige Steppe mit spärlichem Gras. Auf die Steppe folgte eine Gegend mit dornigen Sträuchern und Kräutern, in windgeschützten Bodenvertiefungen wucherte ein niederer Wald von verkrüppelten Laubbäumen.
    Gegen 17 Uhr hatte er den Grat erreicht, der sich fünf oder sechshundert Meter über die Ebene erheben mochte. Er war zerrissen und zerklüftet, in manchen Einschnitten lag Schnee. Abwärts nach Osten verfolgte er ein sanft abfallendes, allmählich breiter werdendes Bachtal. Nun begann Klaus nach einem Nachtquartier zu suchen, eine geschützte ebene Fläche ein paar hundert Meter abseits des Baches mit Strauchwerk und Krüppelwald bot sich dafür an. Er trug Reisig zusammen, entfachte im Schutz einer schrägen Felswand ein Feuer, aß und trank. Zum erstenmal war er in einer völlig unbetretenen Wildnis und fühlte sich wohl.
    Nach der Mahlzeit begann es leise zu regnen, er sah sich nach einem trockenen Platz zum Übernachten um. 15 oder 20 Meter hoch in der Felswand entdeckte er ein tiefes Loch, das Schutz gegen Regen bieten mußte. Erichsen war kein Bergsteiger, aber diese bequeme Wand zu erklettern traute er sich zu. Es ging auch ohne Schwierigkeit, aber kurz vor dem Ziel löste sich ein Felsvorsprung, auf dem er Fuß faßte. Klaus fand keinen Halt an dem glitschigen Fels, rutschte, sich einmal überschlagend, ab und schlug unten schwer auf. Betäubt blieb er eine Weile liegen. Wieder zu sich kommend, sah er, daß Fetzen aus Rock und Mantel herausgerissen waren und daß er blutete. Im Rucksack hatte er Verbandszeug. Als er sich stöhnend erhob, wurde er von unerträglichem Schmerz auf den Boden zurückgerissen. Schließlich schaffte er es doch auf allen vieren. Am Feuer verband er die blutenden Abschürfungen, wickelte sich in die Decke, warf den wasserdichten Umhang über sich und blieb apathisch liegen.
    In der Nacht erhoben sich Regen und Wind, das Wasser lief in Rinnsalen aus den Falten seines Regenumhangs. Der Schmerz saß im rechten Knie und linken Fuß, beide waren am nächsten Morgen dick geschwollen, und Erichsen konnte sich weniger bewegen als am Abend zuvor. Vor Schmerz biß er auf die Lippen.
    Mittag wurde es, und Abend, und wieder fiel Nebel ein, nachts kamen Fieber und Durst.
    Die zweite Nacht wurde die schlimmste, denn gegen Morgen erhob sich ein Sturm, diesmal von Osten. Er orgelte an den Felswänden und schüttelte die Krüppelbäume, pfiff durch den Umhang und die Decke, so daß Klaus erbärmlich fror. Zum Glück legte der Orkan sich am Vormittag. Klaus durchwühlte seinen Rucksack, essen mochte er nicht, aber er öffnete die Büchsen mit Obstkonserven und gewann so viel Flüssigkeit, daß er seinen Durst löschen konnte. Wieder kam eine kalte windige Nacht und nach finsterroter Dämmerung ein scheußlicher kalt-nebliger Tag, nichts änderte sich. Halb bewußtlos, in fiebrigen Schauern sinnierte er, daß ihn das schlimmste Los getroffen hätte, das man sich ausdenken kann. Zustände der Gleichgültigkeit wechselten mit Stunden, in denen er sich ungestüm gegen sein Schicksal auflehnte, dann wieder hatte er eine schwache Hoffnung. Nach drei, vier Tagen wollte er zurück sein. Gaston hatte ihm zwar zugeschworen, ihn nicht zu suchen, aber vielleicht würde er es doch tun. Das konnte frühestens in abermals drei Tagen der Fall sein. Würde er ihn finden? Konnte Klaus bis dahin durchhalten? Einmal schreckte er bei Tage hoch, es war ihm, als hätte er menschliche Stimmen gehört, dann wieder, als hätte er Flugzeuggeräusche vernommen.
    Erichsen wußte nicht genau, ob es der vierte oder fünfte Tag seines Ausflugs war, als er am Morgen erwachte. Zu seiner Überraschung fand er seine Lage ein wenig verbessert. Die Schwellungen waren etwas zurückgegangen und sicher auch das Fieber. Aber die Zunge klebte am Gaumen vor Durst. Noch ein, zwei Tage durchhalten, vielleicht konnte er dann zum Bach kommen, dann würde … Klaus Erichsen schreckte zusammen, denn 50 Schritte entfernt stand ein Mann.
    Ganz langsam kam er näher. Aber war es denn ein Mann? An Stelle des Gesichts spannte sich eine weiße Lederhaut mit großen runden, wie gläsernen Augen und an Stelle des Mundes hing ein Rüssel herab, der auf der Brust in einem ringförmigen, um den Oberkörper laufenden Wulst endete. Sonst war der Fremde ganz menschlich, hatte sich, als ob er heftig fröre, bis zum Hals in eine graue Decke
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