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Das Reich in der Tiefe

Das Reich in der Tiefe

Titel: Das Reich in der Tiefe
Autoren: Richard Koch
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nach einer Stunde hatte er sich bis auf Rufweite seinem Ziel genähert. Im Grund einer windgeschützten Mulde standen drei Wellblechbuden, zwei davon in T-Form zusammengebaut; vor der Tür lagen ein Kohlenhaufen und ein Holzstapel, und einige Hühner scharrten im Sand. Von den Wellblechbuden war es nur hundert Meter bis zu einer geschützten Meeresbucht, in der ein Fischkutter an einer Landebrücke lag.
    Erichsen war nicht unbemerkt geblieben. Ein Mann trat vor die Tür der Doppelhütte, musterte Klaus mit einem Feldstecher, verschwand wieder in seinem Bau und kam mit einem Gewehr zurück. Er ließ den fremden Besucher bis auf dreißig Schritte herankommen und rief ihm ein donnerndes „Halte là“ entgegen. Er war ein mittelgroßer muskulöser Mann, der ein Lederwams und eine runde braune Pelzkappe trug.
    „Que voulez vous?“ fragte er.
    Klaus nahm sein Französisch zusammen und berichtete, so gut es ging, vom nächtlichen Untergang der Bahia, davon, daß man ihn kurzerhand im Stich ließ, daß es ihm doch noch gelang, ein Boot ins Wasser zu bringen und bis hierherzusegeln. „C’est tout“, schloß er. „Ich hoffe, daß der Monsieur kein Menschenfresser ist. Mein Boot liegt ein paar Kilometer von hier auf dem Strand. Möchte nur gern meine Sachen trocknen, dann segle ich weiter zur nächsten Stadt!“
    Nun schien das Eis gebrochen. „Kommen Sie herein, Camerade!“ So nannte der andere ihn und behielt diese Bezeichnung in der nächsten Zeit bei. „Ich mache Ihnen einen Grog, seien Sie mir willkommen. Mein Name ist Gaston Lemaire, bin der Besitzer dieser Farm. Spielen wir gleich ein Musikstück zu Ihrer Begrüßung!“
    Klaus mußte sich bücken, um die Tür zu durchschreiten, dann stand er in einem netten sauberen Raum. Im Herd brannte ein Feuer.
    Der Franzose legte eine Platte auf die Musiktruhe, die offenbar sein ganzer Stolz war, sie brachte einen uralten amerikanischen Schlager hervor.
    „Es ist noch keinen Monat her, daß ich die Platte frisch bekommen habe“, erklärte Lemaire. „Alle Jahre kommt ein Chilene aus Magellan hierher und bringt mir mit seinem Motorkutter die Sachen, welche ich ein Jahr vorher bei ihm bestellt habe, Salz, Bücher, Kohlen, Streichhölzer, Öl, Töpfe, Konserven, Batterien. Er nimmt dafür in Zahlung, was ich ihm liefere. Nächstes Jahr wird er mir einen Kurzwellensender und einen Windmotor heranschaffen. Im Sommer liegt manchmal das chilenische Küstenwachschiff draußen auf der Reede und setzt ein Boot aus, allerdings nicht jedes Jahr!“
    „Ja … sind Sie denn ganz allein hier auf der Insel?“
    „Gewiß, falls Sie nichts dagegen haben!“
    Klaus schüttelte verwundert den Kopf: „Und wovon leben Sie denn?“
    „Vom Fleisch der Kaninchen, Fische, Delphine, Pinguine, Robben – das gibt es alles hier, ferner von Kartoffeln und Zwiebeln, die ich anbaue, in sonnigen Jahren wachsen sogar Kohl und Bohnen. Drüben am Nordhang ist eine geschützte Stelle mit anderthalb Hektar Feld und Beeten. Außerdem habe ich eine kleine Herde Ziegen und Schafe für meinen Eigenbedarf.“
    „Und welche Produkte tauschen Sie gegen die Waren ein, die Ihnen der Kutter mitbringt?“
    „Wolle, Schaf- und Ziegenfelle, Robbenhäute und Strandgut. Das lohnt sich manchmal.“ Lemaire machte sich am Herd zu schaffen, goß Rum in heißes Wasser, stellte zwei Gläser und eine Zuckerdose auf den Tisch, füllte die Gläser voll, ein angenehmer Duft zog durch den Raum. Klaus legte unterdessen seine nassen Sachen ab; der Gastgeber warf ihm andere hin. Nachdem der Schiffbrüchige mit Behagen sein Glas getrunken hatte, setzte er an: „Wieso aber …“
    Lemaire ließ ihn nicht ausreden. „Wieso ich hier als weltflüchtiger Eremit auf einer einsamen Insel hause, zu der nur einmal im Jahr ein Mensch kommt, wollen Sie fragen?“
    „Genau das!“
    Der Franzose schwieg eine Weile, als ob er sich erst besinnen müsse: „Gut, ich will’s Ihnen erzählen, obwohl ich noch nicht weiß, wer Sie sind. Ich war Ingenieur bei der chilenischen Gesellschaft, die hier nach Erdöl gesucht hat, das ist jetzt elf Jahre her. Wir bohrten an mehreren Stellen, wurden aber nicht fündig, obwohl wir bis auf 3000 Meter Tiefe gingen, es war ein Verlustgeschäft. Als ich danach nach Valdivia zurückkam, hatte meine Frau mein Haus und die Möbel verkauft und war mit einem Liebhaber auf und davon, ohne Abschiedsbrief, bis heute weiß ich nicht, wo sie ist. Danach konnte ich keinen Menschen mehr sehen. Der Erdölgesellschaft
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