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Das Reich der Katzen (German Edition)

Das Reich der Katzen (German Edition)

Titel: Das Reich der Katzen (German Edition)
Autoren: Alisha Bionda
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sie. Aber in einem hatte Fleur ihren
wunden Punkt getroffen: Onisha hatte mordsmäßigen Hunger.
    Das stand wohl überdeutlich auf ihrem Gesicht, denn Fleur deutete
einige Zeit später auf einen dunklen Fleck vor ihren Pfoten. Bei näherem
Hinsehen entpuppte sich das unförmige Ding als Maus, die schon eine Weile dort
liegen musste.
    Angewidert blickte Onisha auf das angegammelte Stück Fleisch vor
ihrer Nase. »Ich bin zwar hungrig«, jammerte sie, »immerhin habe ich seit über
einem Tag nichts mehr gegessen und nur schmutziges Regenwasser aus einer Pfütze
getrunken. Aber so hungrig bin ich nun auch wieder nicht. Mir ist beim
bloßen Gedanken schon schlecht. Ich bin es nicht gewöhnt ...«
    »Ich bin es nicht gewöhnt, ich bin es nicht gewöhnt ...«, äffte
Fleur Onisha nach. Sie imitierte deren Tonfall schon perfekt. »Ich weiß
mittlerweile, dass du eine verwöhnte Gans bist. Und das bis in die Schwanzspitze!
Das musst du nicht andauernd unter Beweis stellen! Du und deine edle Abstammung.
Du gehst mir ganz schön auf den Keks. Aber auf der anderen Seite bist du auch
eine bedauernswerte Kreatur, denn dein bisheriges Leben war voll törichter
Moral!«
    »Woher willst du das wissen? Du kennst mich ja kaum«, begehrte
Onisha auf.
    »Ihr seid alle gleich«, schnaube Fleur verächtlich.
    »Das ist ein dummes Vorurteil«, protestierte Onisha halbherzig.
Denn sie wusste, dass es stimmte, was Fleur sagte.
     
    Sie hatten beschlossen etwas Essbares zu fangen. Genau genommen
hatte Fleur beschlossen, dass sie jagten. Etwas Frisches, Nahrhaftes. Onisha
wusste nicht so recht, wie sie das anstellen sollte. Ihr Instinkt bot ihr zwar
die eine oder andere Möglichkeit an, aber sie konnte sich für keine entscheiden.
Daher entschloss sie sich für die einfachste Lösung: Sie folgte Fleur wie ein
zweiter Schatten. Als sie dann auch noch durch eine ungeschickte Bewegung die
Maus, die Fleur gerade erlegen wollte, verjagte, fuhr Fleur genervt herum. »Du
klebst an mir wie ein Saugnapf!«, fauchte sie. »Wann willst du endlich
selbstständig werden?«
    Onisha zog eine beleidigte Schnute. »Ich kann ja nichts dafür,
dass ich so einen Riesenhunger habe«, verteidigte sie sich.
    »Herrje, wenn dir angeblich so heftig der Magen knurrt, musst du
eben sehen, dass du eine Maus oder etwas anderes erlegst. Und zwar du ganz
alleine. Jetzt schleich dich und lass mich in Ruhe.«
    »Was soll ich?«, fragte Onisha und spürte einen leichten
Schwindel in der Magengegend. Allein die Vorstellung, ihre Zähne in ein
lebendes Tier zu schlagen und ihm das Lebenslicht auszublasen, verursachte ihr
Übelkeit.
    Fleurs Gesicht überzog plötzlich ein breites Grinsen, das eine
winzige Spur Gehässigkeit trug. »Schau, woher du etwas Essbares bekommst. Du
musst allmählich lernen allein für dich zu sorgen. Ich bin nicht dein
Kindermädchen. Oder dein Butler, der dir die Maus auf einem Silbertablett
serviert. Immerhin bist du mit guten Fanginstrumenten bestückt.«
    »Ich bin was?«
    Fleur seufzte. »Bist du aber schwer von Begriff! Krallen sind
dazu da, um benutzt zu werden! Auch wenn sie einer Katze von Adel gehören. Eure
Durchlaucht muss sich allmählich damit abfinden, dass die Zeiten des Luxuslebens
vorbei sind. Hier zählt das Gesetz der Natur: Nur der Stärkere überlebt! Und
für so ein köstliches Mäuschen würden die Katzen in Indien weiß Gott was geben.
Also, wenn du nicht schon bald verhungern willst, reiß dich zusammen und geh
auf die Jagd.«
    Fleurs letzter Satz hallte noch lange in Onishas Ohren, auch als
sie schon auf der Suche nach etwas Essbarem war. Denn eins stand fest: sie
wollte leben, überleben, und zwar noch sehr lange!
    Unentschlossen setzte sie sich vor ein Gebüsch, in dem es Erfolg
versprechend raschelte, und wartete. Ihre Geduld wurde nicht lange auf die
Probe gestellt. Zwei Eichhörnchen sprangen hervor. Die rotbraunen possierlichen
Kerlchen verharrten, als sie Onisha erblickten, einige Sekunden starr vor
Schreck. Dann rasten sie mit einem Affenzahn an ihr vorbei den nächsten
Baumstamm hinauf. Onisha war beinahe erleichtert, dass die blitzschnellen
Tierchen ihr nicht den Hauch einer Chance gelassen hatten. So hungrig sie auch
war, sie hätte keines der beiden töten können.
    Erneutes Rascheln lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf das
Gebüsch. In Onishas Gehirn leuchtete nur ein einziges Wort auf: MAUS. Und
dieses Wort flackerte wie eine Leuchtreklame. Sie wusste nicht wieso, aber es
war einfach da. Ihr Instinkt, der so
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