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Das Reich der Elben 01

Das Reich der Elben 01

Titel: Das Reich der Elben 01
Autoren: Alfred Bekker
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veränderte die Flugbahn, während gleichzeitig ein Schatten aus einer dunklen Spalte schoss, die in mindestens hundert Mannshöhen im Felsen klaffte. Der Schlag lederiger dunkler Schwingen wurde von einem Fauchen begleitet.
Wie ein zum Leben erwachtes Ebenbild der steinernen Affen wirkte das wie aus dem Nichts aufgetauchte geflügelte Wesen. Es war größer als ein ausgewachsener Mann und derart schnell, dass die Möwe keine Möglichkeit hatte, ihm zu entkommen. Die mit messerscharfen Krallen bewehrten Pranken packten den Vogel. Ein letzter krächzender Schrei hallte an den Felsen wider, ehe der geflügelte Affe mit seiner Beute ins Dunkel jener Felsspalte zurückkehrte.
»Eure stillen Verwünschungen, mit denen Ihr den Vogel bedachtet, müssen erhört worden sein, werter Merandil«, sagte Sandrilas spöttisch. »Die Götter scheinen Euch gewogen.«
»Offenbar ist dieses Land die Heimat ungewöhnlicher Kreaturen«, stellte Merandil düster fest. Ihm schien der Sinn für Humor völlig abhanden gekommen zu sein. Er wandte sich an Keandir. »Wir sollten vorsichtig sein, mein König.«
Keandir wirkte wie abwesend. Seine feinen Sinne waren hochkonzentriert. Er glaubte aus weiter Ferne Stimmen zu hören. Ein Raunen und Murmeln, doch er konnte keine einzelnen Worte unterscheiden. Dass das Geraune von den primitiven Affenwesen stammte, die offenbar zwischen den Klippen hausten, mochte er nicht glauben. Aber irgendetwas war dort. Jenes Unbehagen, das er bereits an Bord seines Flaggschiffs empfunden hatte, meldete sich wieder, und das stärker denn zuvor. Selbst der Gedanke an Ruwens
Schwangerschaft konnte diese dunkle Empfindung diesmal nicht dämpfen.
»Mein König?«, drang Merandils Stimme ins Bewusstsein des Elbenherrschers, und ein Ruck ging durch Keandirs Körper. Er hatte den Kontakt zu den Stimmen verloren. So sehr er sich auch anstrengte und erneut seine Sinne konzentrierte, das Geraune war verstummt.
»Sobald alle Schiffe vor Anker gegangen sind, soll der Kronrat einberufen werden«, bestimmte er. »Leitet dies in die Wege, Prinz Sandrilas. Bis es so weit ist, werden noch Stunden vergehen. Ich möchte mich mit einer kleinen Gruppe von Kriegern umsehen. Ihr bleibt hier am Strand.«
»Ich würde Euch gern begleiten«, erwiderte der einäugige
Prinz.
»Gewiss. Aber ich brauche Euch hier. Errichtet ein Lager und sorgt dafür, dass zwei kleinere Schiffe ausgeschickt werden, um die Küste zu erforschen. Wir müssen wissen, ob dieses Land Teil eines größeren Festlands ist oder nur eine Insel.«
Prinz Sandrilas neigte das Haupt. »Es soll so geschehen, wie Ihr sagt, mein König. Aber ich rate Euch, auf diese geflügelten Kreaturen achtzugeben. Vielleicht machen sie nicht nur Jagd auf Möwen.«
Die Hand des Königs legte sich um den mit Bernstein besetzten Schwertgriff. »Ich weiß mich wohl zu wehren.«
Sandrilas deutete auf das Steinrelief. »Welches Volk auch immer dieses Kunstwerk des Schreckens geschaffen haben mag, wir wissen nun, dass es diese geflügelten Kreaturen wirklich gibt. Leider wissen wir nicht, was aus den Künstlern wurde, aber diese in Stein gehauenen Bilder erzählen genug, mein König. Genug, um uns zu warnen.«
Vier Krieger wählte König Keandir aus, um ihn zu begleiten. Branagorn, ein junger Elbenkrieger, der mit dem König und dessen Gefolge an Land gegangen war, war einer von ihnen.
Ein anderer trug den Namen Malagond. Er galt als bester Bogenschütze der ganzen Flotte. Außerdem nahm Keandir noch zwei altgediente und in unzähligen Schlachten erprobte Elbenkrieger mit, die Brüder Moronuir und Karandil.
»Ihr nehmt die Zeichen der Gefahr nicht ernst genug«, beklagte sich Sandrilas mit mürrischem Blick.
Keandir aber antwortete mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Die Kunst des leichten Lebens besteht darin, dass man nicht nur die Zeichen kommenden Unheils wahrnimmt, sondern auch jene des zukünftigen Glücks, werter Prinz.« Und dabei warf er zum wiederholten Mal einen Blick zurück zur »Tharnawn«, an deren Reling Ruwen stand und auf ihn wartete. Kein Gedanke an eine mögliche Gefahr, keine Schwermut oder gar die Krankheit des Lebensüberdrusses, die das Volk der Elben immer häufiger heimsuchte, konnte ihm dieses besondere Hochgefühl nehmen.
»Bald bin ich zurück, Ruwen!«, murmelte er in der Gewissheit, dass die feinen Sinne seiner Geliebten die leise gesprochenen Worte wahrnehmen würden, wenn auch nur als Ahnung, als Raunen einer vertrauten Seele.
Ein entrücktes Lächeln löste die
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