Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Prinzip Selbstverantwortung

Titel: Das Prinzip Selbstverantwortung
Autoren: Reinhard K. Sprenger
Vom Netzwerk:
mit bis zu 30 Zielvereinbarungen pro Jahr verregelt ist. Sicherheitsbedürfnis auf der einen Seite und Kontrollbedürfnis auf der anderen Seite bauen die Wände für den Arbeitsplatz als betriebsinterne Todeszelle.
    Auch die Langsamkeit vieler Entscheidungsprozesse hat damit zu tun, dass jedes Steuerungsproblem sofort verregelt wird. Wenn BMW für eine Baugenehmigung in Deutschland acht Monate braucht, in Japan eine vergleichbare Baugenehmigung in einem erdbebenbedrohten Gebiet sechs Wochen dauert, dann verweist das auf den notorischen Richtlinien-Wildwuchs. Der macht auch die Verantwortungsträger träger. Im Schleppnetz aus Anordnungen, Richtlinien und Dienstvorschriften verfängt sich jede Selbstverantwortung. Zunächst noch wütend zappelnd, dann immer ruhiger werdend, der frühen Selbstpensionierung entgegendümpelnd. Der Rest an Begeisterung bleibt in den engmaschigen »Das-geht-nicht«-Stahlnetzen juristischer Regelungsmechaniker hängen.
    Internes Unternehmertum wird so immer mehr zum internen Kampf gegen Vorschriften und Policies. In Search of Excellence? In Search of Mittelmäßigkeit! Kurzum, ich kann sie nicht mehr hören: die Winselei über den Mangel an Unternehmertypen, wenn doch jedes Steuerungsproblem umgehend mit einer Richtlinie erschlagen wird. Zurück bleibt ein Friedhof der Enthusiasmen. Muss es nicht nachdenklich machen, wie viele junge Menschen, die frisch und engagiert eine Aufgabe im Unternehmen übernommen haben, oft schon nach zwei Jahren innerlich emigriert sind? Viele von ihnen haben gleichsam eine Pappnase auf, spielen das Spiel nur noch zum Schein mit, sind aber innerlich weit davon entfernt, es als »ihr Spiel« anzuerkennen. Wer aber nur mangels besserer Alternativen dabei ist, ist nicht mehr dabei.
    |33| Entlastungsversuche II: Gremien
    Wenn man im Unternehmen Schlüsselprozesse identifiziert, analysiert und nach Verantwortlichen für diese Prozesse fahndet, sucht man lange. Wo der Urheber erodiert, in einer Magellanschen Wolke unklarer Zuständigkeiten diffundiert oder gänzlich abgeschafft ist, kann es keine Urheberschaft im stabilen Sinne geben. Wo lässt sich Verantwortlichkeit, wo lässt sich Zuständigkeit festmachen? Die tiefgestaffelte Hierarchie und die breite Zuständigkeitsstreuung führen dazu, dass niemand mehr Verantwortung hat.
    Im Fall des Immobilienspekulanten Schneider konnte man kaum einen konkret Verantwortlichen für die Risiken bei der Kreditvergabe identifizieren. Bei der Deutschen Bank gab es – nicht zuletzt bedingt durch jahrzehntelang gelernte Sorglosigkeit – ein Höchstmaß an struktureller Verantwortungsdiffusion. Das übergeordnete Harmoniepostulat im Vorstand verteilte zudem die Verantwortung im Schadensfall auf alle Entscheidungsträger zu gleichen Teilen.
    Innerhalb der Unternehmen fühlen sich viele behindert und ausgeliefert an kaum noch personalisierbare Institutionen und Gremien. Unschuldig beginnt es zumeist: Will man ein bestimmtes Thema im Unternehmen befördern, schafft man zunächst eine Stabsstelle. Meist schwirrt irgendwo im Unternehmen ein ranghoher Manager herum, für den man so recht keine Aufgabe hat, und der wird dann Beauftragter für Total Quality Management, High Performance Organisation, Lean Management, Human Resources Development, Corporate Communications, Business Reengineering … eben für das, was sich gerade auf dem aufsteigenden Ast der Worthülsenkonjunktur befindet. Der entwickelt dann eine ungeheure operative Hektik, brennt Strohfeuer-Kampagnen ab, die sichtbar auf die Wichtigkeit des Themas (und der eigenen Aktivität) aufmerksam machen, regiert den Linienmanagern von der Seite hinein, wird als lästig, Besserwisser und Störenfried empfunden. Die Unternehmensleitung fühlt sich entlastet: »Wir haben da jetzt so einen für Qualitätsmanagement.« Man weiß sich auf der Höhe der Zeit. Die Stabsmanager okkupieren |34| bestimmte Verantwortlichkeiten, um ihre Existenzberechtigung zu sichern – und klagen gleichzeitig darüber, dass die Linienmanager für dieses bestimmte Thema keine Verantwortung übernehmen. Da die Managementmoden ständig wechseln, kann man sich vorstellen, wohin das führt. An Impulsen und externen Anregungen fehlt es wahrlich nicht. Wohl aber an verantwortlicher Umsetzung. Bevor eine Welle »greift«, kommt schon die nächste, die ebenfalls lauwarm abgefedert wird.
    Die nächste Stufe ist die Projektgruppe. Ein Komitee oder ein Ausschuss wird gegründet (was im letzteren Fall oft gar nicht so
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher