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Das Prinzip Selbstverantwortung

Titel: Das Prinzip Selbstverantwortung
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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einverstanden. Bei einem großen Nahrungsmittelkonzern kann man sich mit einem einzigen stereotypen Satz aus der Verantwortung flüchten: »Amerika will das.«
    Cover your ass
    Schuldzuweisungen, Reinwaschungen, Verdrängungen: Die hierarchiegebundene Verfolgermentalität programmiert die Mitarbeiter auf die bürokratische Verschiebung von Verantwortung. Äußerlich sieht es nach detaillierten Prozessen zur Absicherung der Entscheidungsqualität aus. Aber die Hypertrophie der Sicherungsinstitutionen, der Kommissionen, die vielen Unterschriften unter Briefen, die Kolonnen auf Verteilern, um viele hineinzuziehen: es sind Entantwortungs-Verteiler statt Entscheidungs-Verteiler. All das will sich absichern: »Ihr habt es doch gewusst!« Das verantwortungslose Passiv regiert den betriebsinternen Schriftverkehr: »Aus gegebenem Anlass wurde beschlossen …« Adressat: alle. Verfasser: unbekannt verzogen.
    Bei Schwierigkeiten holt man dann gerne Berater ins Haus. Um für den Kahlschlag nicht verantwortlich zu sein. »Wie bitte darf das Problem lauten, damit ich bei meiner Lösung bleiben kann?« Nicht selten kauft man sich Rechtfertigungsstudien, die den zuvor gefällten Entscheidungen die externen Weihen verleihen. Die fliegenden Händler gefälliger Unternehmenszukünfte realisieren zunächst recht schnell die angestrebten Produktivitätsgewinne. Mögliche kontraproduktive Folgen treten erst mit Verzögerung ein. Die baden dann andere aus. Die Mitarbeiter-Reaktion: »Wir haben zweimal McKinsey überlebt; wir werden auch noch Boston Consulting überleben.«
    Cover your ass. Dabei gilt vor allem die Taktik: »Sorge für die rasche Behebung des Symptoms, nicht des Problems, denn nichts lenkt besser ab als eine rasche Aktion an der falschen Stelle.« Und für grundsätzliche Überlegungen ist es stets der falsche Zeitpunkt. Man muss erst noch die Voraussetzung für die Voraussetzung für die Voraussetzung schaffen. Am besten, man führt rasche Entschlüsse herbei und sorgt dafür, dass sie für Veränderungen gehalten |31| werden. Wichtig dabei ist das Ritual des »Verabschiedens«: Richtlinien und Vorschriften eignen sich dafür besonders gut.
    Entlastungsversuche I: Richtlinien
    Entsprechend lautet eine heimliche Eintragung ins Lebensdrehbuch vieler Unternehmen: »Verregele soviel wie möglich!«, als gäbe es ein unausrottbares Bedürfnis der Menschen, am Leitseil zu gehen. Dabei wären viele Unternehmen längst zusammengebrochen, wenn die Mitarbeiter nicht oft genug selbst detaillierte Anweisungen in loyaler Weise uminterpretiert, umgeformt oder schlicht ignoriert hätten: »Die da oben haben doch keine Ahnung, was hier unten los ist.«
    Alle Richtlinien sind unter bestimmten Umständen geschrieben worden, meistens um
alle
von etwas abzuhalten, was nur
einige wenige
tun oder tun würden – und die tun es auf Umwegen ohnehin. Selten helfen oder ermutigen sie Menschen, etwas zu tun. Noch seltener unterstützen sie dabei, Verantwortung zu übernehmen.
    Eine Richtlinie ist mithin nicht nur ein Anschlag auf die Kreativität, sondern auch auf die Selbstverantwortung der Mitarbeiter. Die gleitende Arbeitszeit zum Beispiel, oft noch als Sieg der Phantasie über starre Organisationsformen gefeiert, wird damit begründet, dass Mitarbeiter sich mit dem Verweis auf ihr Arbeitszeitkonto der ausbeuterischen Ansprüche ihrer blutsaugenden Vorgesetzten erwehren können. Heißa! Hoch lebe die Selbstverantwortung!
    Betriebsinterne Normierungsversuche: Wenn der ISO-Standard erfüllt ist, heißt das noch lange nicht, dass man auch Qualität produziert. Hier werden Kontrollprozesse idealtypisch beschrieben, hier werden Normen erfüllt, hier feiert die Abschlussorientierung dröhnend ihren Sieg über die Fähigkeitsorientierung. Die Absicherungsmentalität schaltet die Rückmeldung vom Markt aus und definiert Qualität »innen«. Bezeichnenderweise kommt das Wort »Kunde« in keiner einzigen Norm vor. Was da zertifiziert wird, ist das Qualitätsmanagement. Das Ganze schön hierarchisch |32| aufgebaut von der Geschäftsleitung über den Qualitätssicherungsbeauftragten bis zum Qualitätsleiter. Bei der Flucht ins Handbuch fließen wieder die Energien nach innen: Weiß die Belegschaft, welche Vorschriften wo für sie festgehalten werden? Denn das sind die drei Prinzipien, die ISO 9000 ff. prägen: Dokumentation, Dokumentation und Dokumentation.
    Es gibt Unternehmen, in denen die Zielvereinbarungskultur derart überzogen wird, dass der ganze Job
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