Das Phantom im Schokoladen-Museum
Glockner hatte ihre
Handtasche im Wagen der Viersteins — die sie mitgenommen hatten — vergessen,
brauchte aber das Parfum-Fläschchen.
Sofort trabte Tim zur Einfahrt,
wo das Coupé parkte. Gleichzeitig mit Otto Röhrling kam er dort an. Allerdings
näherte sich der Betrunkene aus entgegengesetzter Richtung, bestückt mit
Plastikeimer und Weinflasche.
Was will Otto denn hier?,
dachte Tim. Er kannte ihn.
„Wohin des Weges, Otto?“,
fragte Tim.
„Ah, der Tim. Hallo, Tim!“ Otto
roch nach Wein. Und seine Haltung war etwas knie-knickerig. „Zu den Sauerlichs
will ich eigentlich nicht, sondern zu meinem Lebensretter. Ein gewisser Dr.
Schlankbein wäre das.“
„Dann sind Sie der
Knollenblätterpilz-Sammler? Gott sei Dank, Otto! Also gerettet! Warten Sie
hier! Ich hole ihn.“
Zur Terrasse, wo die Feier
inzwischen sehr lustig war, wollte Tim den Angesäuselten nicht bitten. Gegrillt
wurde nur für geladene Gäste. Und Otto hätte nicht in diese Runde gepasst. Tim
entschied das, ohne Dünkel zu pflegen. Aber es gibt nun mal Unterschiede. Und
man kann sich nicht mit jedem verbrüdern.
Tim lief zurück, brachte Margot
Glockner die Handtasche, verkündete die erfreuliche Neuigkeit und führte Onkel
Waldo dann zu Otto.
Der hatte sich auf den Boden
gesetzt und wäre vermutlich gleich eingeschlafen. Das Aufstehen ohne fremde
Hilfe gelang. Otto schüttelte seinem Retter eine Minute lang die Hand.
Unaufhörlich strömten Dankesworte von den Lippen. Dann ging Otto daran, sein
ramponiertes Ansehen als Pilzsammler instand zu setzen.
Waldo musste sich das
Pilz-Ragout ansehen.
„Ist doch nicht zu
unterscheiden von Wiesenchampignon-Ragout, Herr Schulleiter“, behauptete Otto.
„Das müssen Sie zugeben.“
„Ich verstehe nicht, was Sie
meinen“, sagte Waldo. „Haben Sie die Pilze in diesem Zustand gefunden — oder in
ihrer natürlichen Form abgeschnitten?“
„Das hier ist mein Rezept. Ich
nehme reichlich Speck und Zwiebeln. Gefunden habe ich sie... ja, in ihrer
natürlichen Form.“
„Da hätten Sie’s merken müssen.
Jedenfalls bin ich froh, dass die Warnung Sie erreicht hat. Gehen Sie zu einem Pilzberater.
Der zeigt Ihnen die Unterschiede zwischen den beiden Sorten. Gute Nacht, Herr
Röhrling.“
Waldo gab ihm die Hand und ging
zur Terrasse zurück. Seine Spanferkel-Portion wurde kalt.
„Jetzt habe ich vergessen, ihm
den Wein zu schenken“, sagte Otto — und hielt die Flasche in der Hand.
„Können Sie mir geben“, meinte
Tim. „Ich überreiche sie ihm. Ihnen danke ich in seinem Namen. Aber nötig war
das nicht, Otto. Gut, gut! Verstehe! Sie wollen sich erkenntlich zeigen. Dr.
Schlankbein hat sich auch sehr bemüht, dass die Warnung rechtzeitig erfolgte.
Es gab da Hindernisse, die das erheblich erschwerten. Dabei fällt mir ein: Sie
waren doch sicherlich mit Ihrem Motorrad beim Schweinsbuckel-Berg.“
„Klar“, nickte Otto. „Mit
meiner Maschine. Um mit dem Rasenmäher zu fahren, ist die Strecke zu weit.“ Er
lachte, stieß dabei auf und hielt sich den Plastikeimer vor den Mund.
„Und wann waren Sie dort?“
„Nachmittags.“
„Und zurückgekommen sind
Sie...?“
„Ich meine: Wann?“
„Gegen Abend.“
„Über die Autobahn?“
„Über die Autobahn. Ist der
kürzeste Weg. Und 130 Sachen macht mein Feuerstuhl locker.“
„Ist Ihnen irgendwann unterwegs
ein Polizeiwagen aufgefallen, Otto? Ein Streifenwagen mit zwei Polizisten.“
Otto überlegte.
Das Licht der Einfahrt-Laterne
fiel auf sein dümmliches Gesicht. Es wirkte nicht geistreicher beim Nachdenken.
Die Froschaugen blinzelten.
Natürlich ist ihm nichts
aufgefallen, dachte Tim. Aber ich greife nach jedem Strohhalm, an dem
vielleicht eine Spur hängt.
„Ja“, sagte Otto.
„Was? Ihnen ist ein Streifenwagen
aufgefallen?“
„Ja. Ich entsinne mich. Auf der
Rückfahrt habe ich ihn gesehen. Er stand auf dem Seitenstreifen. Kurz hinter
der Abfahrt Prälatensteig war das.“
„Mit zwei Insassen?“
Otto nickte. „Deshalb fiel er
mir auf. Ich meine, weil ich mich gewundert habe. Wegen der Ähnlichkeit.“
„Ähnlichkeit womit?“
„Ähnlichkeit mit wem, Tim! Ist
natürlich Unsinn. Aber für einen Moment war ich verblüfft. Weil der Fahrer...
Also, ich sah ihn nur von der Seite. Aber da dachte ich: Das ist ja der Werner
Tippgen. Wollte schon rufen. Wollte fragen, ob er jetzt Polizist wäre. Aber
wwwuuummm — bei meinem Tempo — war ich schon vorbei. Natürlich war’s Tippgen
nicht. Der ist Taxifahrer, kein
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