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Das Phantom auf dem Feuerstuhl

Das Phantom auf dem Feuerstuhl

Titel: Das Phantom auf dem Feuerstuhl
Autoren: Stefan Wolf
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ihm teilte sich Tarzan eine kleine
Bude im zweiten Stock des Haupthauses, wo die Schüler der Mittelstufe hausten.
Jede Bude hatte einen Namen. Die der beiden hieß ADLERNEST.
    Bevor Tarzan die Tür öffnete, hörte er
Klößchens Stimme.
    „Gemeinheit! Unverschämt! Diebstahl!
Wenn ich den erwische! Den mache ich zur Minna! Den...“
    „Was ist denn los?“ Tarzan trat ein und
schloß die Tür hinter sich.
    Klößchen war allein, sein Geschimpfe
ein Selbstgespräch. Er hockte auf dem Bett. Sein sommersprossiges Gesicht lief
vor Zorn rot an.
    „Eine Gemeinheit!“
    Anklagend hielt er einen Karton hoch.
Darin lagen etwa zehn Tafeln Schokolade. Und ein Zettel klebte daran.

    In Druckbuchstaben war mit Filzschreiber
vermerkt: SERVICE (Kundendienst) DER HEIMSCHULE. WER APPETIT HAT, KANN
SICH BEDIENEN! NUR GANZE TAFELN NEHMEN! GUTEN APPETIT!
    Tarzan grinste. „Und?“
    „Mein Schokoladenvorrat“, wetterte
Klößchen und knirschte mit seinen kleinen Zähnen. „34 Tafeln hatte ich. Jetzt
sind’s noch zwölf. Irgendein Halunke hat mir heimlich den Karton geklaut. Und
auf dem Klo aufgestellt. Ausgerechnet dort! Mit dem Zettel dran. Jeder, der mal
mußte, hat sich natürlich bedient. Ich wette, manche haben gleich zwei genommen,
denn so oft... Als ich eben austreten mußte und das sah, dachte ich, mich laust
der Affe!“
    Tarzan lachte.
    „Du lachst. Und ich? Wie soll ich mit
zwölf Tafeln eine ganze Woche auskommen? Erst nächsten Samstag kann ich mir bei
unserem Chauffeur zu Hause Nachschub besorgen. Heimlich, natürlich!“
    „Mann, Willi!“
    Lachend ließ sich Tarzan aufs Bett
fallen. Er fand die Welt wieder erträglich.
    „Willi, du verfressene
Nuß-Nougat-Mischung! Du unersättliche Rumkugel! Du Kakao-Athlet. Ich könnte
mich kringeln. Zwölf Tafeln für fünf Tage! Das muß ja für dich die reinste Diät
sein.“
    Damit hatte er recht. Denn was Klößchen
an Schokolade vertilgte, ging auf keine Kuhhaut. Ohne Schokolade hätte er nicht
leben können.
    Leider sah man’s ihm an. Groß war er
nicht, aber dafür um so runder. Daher kam auch sein Spitzname. Die Folge dieses
Übergewichts war Unsportlichkeit. Er bemühte sich zwar, hing aber wie ein
Kartoffelsack am Reck und schaffte keinen halben Klimmzug. Daß er noch nicht
geplatzt war, verdankte er Tarzan. Der trieb ihn an, wo es ging, trainierte mit
ihm, ließ ihn täglich Gymnastik und Kniebeugen machen und bremste Klößchens
Appetit nach Kräften. Aber der Erfolg war gering. Klößchens Leidenschaft war
und blieb Schokolade.
    Er war im selben Alter wie Tarzan, also
13, ging ebenfalls in die 9b, stand aber in fast allen Fächern recht wacklig.
Nicht wegen Dummheit — er war ein schlauer Bursche —, aber wegen Mangel an
Fleiß. Schlicht gesagt: Faulheit. Er hatte die Ruhe weg. Je gemütlicher, desto
besser.
    Sein Vater war Millionär, ein
Schokoladen-Fabrikant. Klößchens Eltern wohnten im feinsten Viertel der nahen
Großstadt, und Tarzan ging bei der Familie ein und aus. Daß Klößchen trotzdem
Internatsschüler war, lag daran: Zuhause fand er’s langweilig. Zwar verstand er
sich mit seinen Eltern sehr gut, aber im Internat war immer was los. Besonders,
wer sich zu Tarzans Freunden zählen durfte, kam oft kaum noch zum Atemholen.
Denn Tarzan war nun mal der geborene Abenteurer.
    Mit Schokolade wurde Klößchen von Georg
versorgt, dem Chauffeur seiner Eltern. Heimlich. Georg hatte Mitleid mit
Klößchens unstillbarem Appetit. Aber davon durfte Frau Sauerlich, Klößchens
Mutter, nichts wissen. Sie haßte Schokolade, aß weder Zucker noch Fleisch,
sondern lebte vegetarisch (pflanzlich, fleischlos) wie eine Kuh.
    „Das wird die bitterste Woche meines
Lebens“, unkte Klößchen.
    „Wieso? Hast du nur noch
Bitterschokolade?“
    „Jaja, spotte nur. Dir wird’s schon
noch leid tun, wenn ich zusammenschrumpfe wie ein... ein...“
    „...ein Ballon, dem die Luft entweicht.“
    „Ach!“ Klößchen machte eine wegwerfende
Handbewegung und starrte dann verdrießlich in seinen Vorratskarton.
    „Wie war denn das Spiel?“ fragte er
nach einer Weile.
    „Verloren. Aber das ist das kleinere
Unglück.“
    Als Tarzan von dem Anschlag des
Phantoms erzählte, kriegte Willi Augen wie Untertassen.
    „Mich haut’s um! Dann seid ihr ja knapp
mit dem Leben davongekommen! Der arme Bienert! Er gibt mir zwar in Sport nur
eine Vier und als Schlachtenbummler durfte ich auch nicht mit, aber ein feiner
Kerl ist er trotzdem. Der wird doch wieder?“
    „Klar. Eine
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