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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch
Autoren: brooks
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George Viccars Leinen durch unseren Garten vor der Kate und schlang die Stoffbahnen darum. Damit hatte j e der reichlich Gelegenheit, sie sich anzusehen und s eine Bemerkungen dazu abzugeben. Natü r lich machte Jamie ein Spiel daraus, rannte zw i schen den flatternden Bahnen hin und her und tat so, als sei er ein Ritter beim Turnier.
    George Viccars hatte überreichlich Bestellu n gen. Umso überraschter war ich, als ich nur wen i ge Tage nach der Ankunft der Londoner Stoffe bei meiner Rückkehr von der Arbeit ein Kleid aus feinster Wolle zusammengefaltet auf dem Lager in meinem Zimmer vorfand. Es hatte die grün-goldene Farbe sonneng e fleckter Blätter und einen schlichten, aber guten Schnitt, der trotzdem schmeichelte, da Kragen und Manschetten mit Genueser Spitze verziert waren. So etwas Hü b sches hatte ich noch nie besessen. Sogar für meine Hochzeit hatte ich mir von einer Freundin ein Kleid geborgt. Und seit Sams Tod hatte ich ein und denselben formlosen Kittel aus rauer Serge g e tragen, puritanisch schwarz und ohne jegliche Ve r zierung. Eigentlich erwartete ich auch künftig nichts anderes, da ich weder über Geldmittel ve r fügte noch zur Putzsucht neigte. Und doch hielt ich das weiche Gewand vor mich hin, trat ans Fenster und versuchte, wie ein aufgeregtes Mä d chen ein wenig von meinem Spiegelbild in der Scheibe zu erhaschen. Im Glas sah ich George Viccars hinter mir stehen und ließ das Gewand fallen. Ich schämte mich, weil man mich bei ho f färtigem Tun ertappt hatte. Aber er strahlte mich an, und als er meine Verlegenheit bemerkte, sen k te er höflich die Augen.
    »Verzeihen Sie mir, aber schon beim ersten A n blick dieses Tuches habe ich sofort an Sie g e dacht, denn das Grün entspricht genau Ihrer A u genfarbe.«
    Ich spürte, wie ich rot anlief. Und weil ich mich darüber ärgerte, brannten Wangen und Hals nur noch mehr. »Sie sind so freundlich, aber trotzdem kann ich dieses Gewand nicht von Ihnen annehmen. Sie wo h nen hier bei mir zur Untermiete, und ich bin froh, jemanden wie Sie zu haben. Aber es muss Ihnen klar sein, dass es gefährlich ist, wenn Mann und Frau u n ter einem Dach wohnen. Ich fürchte, wir überschre i ten die Grenzen zur Freundschaft allzu ha s tig …«
    »Wenn’s doch nur so wäre«, warf er leise ein und machte ein ernstes Gesicht. Seine Augen suchten mich. Nun lief ich erneut puterrot an und wusste ke i ne Antwort mehr. Auch er wirkte zie m lich erhitzt. Ob auch er rot wurde? Aber als er dann einen Schritt auf mich zu tat, stolperte er ein bisschen und musste sich rasch mit einer Hand an der Wand abstützen, um sein Gleichgewicht wi e derzufinden. Plötzlich spürte ich, wie leiser Ärger in mir hochstieg, denn ich dac h te, er hätte sich aus dem Bierkrug bedient. Ich wap p nete mich, falls sich sein Benehmen jenen Grog u m nebelten Tölpeln annähern sollte, mit denen ich mich manchmal seit Sams Tod auseinander setzen musste. Aber George Viccars hielt seine Hände im Zaum, hob sie an die Braue und rieb darüber, als ob er Schmerzen hätte. »Behalten Sie das Gewand auf alle Fälle«, meinte er leise. »Ich möchte Ihnen nur dafür danken, dass Sie mich in Ihrem Haus willkommen heißen.«
    »Sir, ich danke Ihnen. Trotzdem kommt es mir nicht richtig vor«, sagte ich, wobei ich das G e wand faltete und ihm hinhielt.
    »Warum holen Sie sich nicht morgen früh Rat, wenn Sie im Pfarrhaus sind?«, sagte er. »Falls Ihr Pastor nichts Unschickliches daran findet, dann gibt’s da wohl auch nichts zu finden, oder?«
    Ich fand seinen Vorschlag ziemlich weise und stimmte zu, denn eines wusste ich: Wenn ich auch in einer derartigen Angelegenheit mein Herz nicht dem Herrn Pfarrer ausschütten konnte, so wüsste doch Elinor Mompellion einen Rat. Außerdem entdeckte ich zu meiner Überraschung, dass in mir noch immer genug Weiblichkeit lebte, um dieses Gewand tragen zu wollen.
    »Werden Sie’s denn nicht wenigstens anprobi e ren? Jeder Handwerker wüsste doch nur allzu gern, wo er in seinem fachlichen Können steht. Und sol l ten Sie morgen e r fahren, dass Sie dieses Geschenk nicht annehmen dürfen, dann haben Sie meine M ü hen und meinen Stolz auf meine Handwerkskunst wenigstens damit vergolten, dass Sie mich sehen la s sen, wie ich gearbeitet h a be.«
    Habe ich Recht getan, weil ich auf seinen Vo r schlag so bereitwillig eingegangen bin? Da stand ich nun im Türrahmen und betastete den feinen Stoff. Meine Neugierde, dieses Gewand am eig e nen Körper zu haben, siegte
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